Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees
sie schien so groß hier in diesem kleinen Badezimmer. Ich stand auch auf, und eine Sekunde lang standen wir eng aneinandergedrückt zwischen Wanne und Toilette und sahen einander an.
»Ich wünschte, du hättest mir gesagt, was du von meiner Mutter wusstest«, sagte ich. »Warum hast du es mir nie gesagt?«
»Oh, Lily«, sagte sie, und in ihren Worten war so viel Sanftheit, als ob sie aus einer kleinen Wiege voller Zärtlichkeit tief aus ihrer Kehle kommen würden. »Warum sollt’ ich dich mit so was unglücklich machen?«
Rosaleen ging neben mir her zum Honighaus, bewaffnet mit einem Wischmopp über der Schulter und einem Spachtel in der Hand. Ich trug einen Eimer voller Putzlappen und Scheuermilch. Wir brauchten den Spachtel, um Honig von den unglaublichsten Stellen abzukratzen. Etwas war sogar auf Augustas Rechenmaschine geraten.
Wir wischten den Boden und die Wände ab, dann machten wir uns an Unsere Liebe Frau. Wir räumten auf und verwandelten den Raum wieder in seinen ursprünglichen Zustand, und die ganze Zeit sprachen wir nicht ein Wort.
Mein Körper fühlte sich unglaublich schwer an, und innerlich war ich leer. Mein Atem kam hart und stoßweise aus meinen Nasenlöchern. Rosaleens Herz aber schlug so warm für mich, dass es als Schweiß auf ihrem Gesicht erschien. Unsere Liebe Frau sprach mit ihren Augen und sagte Dinge, die ich nicht verstand. Und sonst - nichts.
Die Töchter und Otis erschienen am Mittag, bepackt mit allen möglichen Gerichten, als ob wir uns nicht am Abend vorher schon randvoll gestopft hätten. Sie schoben das Essen in den Ofen, um es warm zu halten, und standen in der Küche herum und mopsten kleine Bissen von Rosaleens Maisplätzchen, wobei sie meinten, das wären die leckersten Maisplätzchen, die ihnen jemals zu essen vergönnt gewesen war, woraufhin Rosaleens Brust vor Stolz mächtig anschwoll.
»Jetzt lasst ihr aber mal die Finger von Rosaleens Maisplätzchen«, sagte June, »Die sind doch fürs Mittagessen.«
»Och, lass se doch«, sagte Rosaleen. Ich konnte es nicht fassen - mir hatte sie immer auf die Finger gehauen, wenn ich versucht hatte, auch nur einen Krümel von ihren Plätzchen vor dem Abendessen zu naschen. Als Neil und Zach dann kamen, waren die Plätzchen fast alle weg, und Rosaleen lief mittlerweile Gefahr, völlig abzuheben.
Ich stand taub und steif in der Ecke. Ich wäre am liebsten auf den Knien rückwärts wieder ins Honighaus gekrochen, um mich im Bett zusammenzurollen. Ich wünschte, sie würden alle den Mund halten und einfach nur verschwinden.
Zach kam auf mich zu, aber ich drehte mich weg und starrte hinunter in den Abfluss des Spülbeckens. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Augusta mich beobachtete. Ihre Lippen glänzten, als ob sie Vaseline aufgetragen hätte, und so wusste ich, dass auch sie sich bei den Plätzchen nicht hatte beherrschen können. Sie kam zu mir und legte ihre Hand auf meine Wange. Ich dachte, dass Augusta ganz bestimmt nicht wusste, dass ich das Honighaus in ein Katastrophengebiet verwandelt hatte, aber sie war unheimlich gut darin, sich Dinge zu denken.
»Ich möchte, dass du Zach erzählst, dass ich weggelaufen bin«, sagte ich, »und auch das mit meiner Mutter, und alles andere auch.«
»Möchtest du ihm das nicht lieber selber sagen?«
Meine Augen füllten sich mit Tränen. »Ich kann nicht, bitte, tu du es.«
Sie schaute in seine Richtung. »Na schön, bei der erstbesten Gelegenheit erzähl ich’s ihm.«
Dann bat sie uns nach draußen zum letzten Teil der Marientagszeremonien. Wir marschierten in den Hof, die Töchter Mariens alle mit winzigen Fettspuren an ihren Lippen. June war schon dort und erwartete uns, sie saß auf einem Küchenschemel und spielte Cello. Wir versammelten uns um sie herum, und dazu schienen die Strahlen der Mittagssonne vom Himmel herunter. Die Musik, die sie spielte, war von der Art, die durch einen hindurchdringt, die sich bis in die geheimsten Kammern des Herzens schneidet und dort die Traurigkeit hervorlockt. Während ich zuhörte, konnte ich meine Mutter in einem Überlandbus sitzen sehen, er fuhr in Sylvan los, während mein vier Jahre altes Ich im Bett schlummerte und noch nicht wusste, was es beim Wachwerden erwarten würde.
Junes Musik wurde zu Luft, und die Luft wurde zu Schmerz. Ich schwankte hin und her und versuchte, nicht einzuatmen.
Ich war unglaublich erleichtert, als Neil und Zach dann Unsere Liebe Frau aus dem Honighaus heraustrugen, es lenkte meine Gedanken von
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