Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees
diese Frauen von jetzt an mit nichts mehr überraschen könnten, aber nach einer Sekunde schon gelang es ihnen natürlich gleich wieder, denn ehe ich es mich versah, schwärmten die Töchter um Unsere Liebe Frau herum wie der Hofstaat eines Bienenstocks und rieben den Honig in das Holz, in ihren Kopf, in ihre Wangen, ihren Hals, Schultern und Arme, in ihre Brüste, ihren Bauch.
»Komm Lily, mach mit und hilf uns«, sagte Mabelee. Rosaleen war schon eifrig dabei und rieb Honig in die Schenkel Unserer Lieben Frau. Ich blieb stehen, aber Cressie nahm meine Hände und zog mich hinüber zur Maria, tauchte sie in die Schmiere aus sonnenwarmem Honig, direkt über dem Herzen Unserer Lieben Frau.
Mir fiel ein, wie ich damals Unsere Liebe Frau mitten in der Nacht besucht hatte, wie ich meine Hand auf genau die gleiche Stelle gelegt hatte. Du bist meine Mutter, hatte ich ihr da gesagt. Du bist die Mutter von Tausenden.
»Ich versteh nicht, warum wir das hier tun«, sagte ich.
»Wir reiben sie immer mit Honig ein«, sagte Cressie. »Jedes Jahr.«
»Aber wieso?«
Augusta rieb Honig in das Gesicht Unserer Lieben Frau. »In vielen Kirchen gab es für die besonders bedeutenden Statuen früher Waschungen mit Weihwasser, es war Ausdruck von Ehrfurcht«, sagte sie. »Besonders für die Marienstatuen. Manchmal wurde dafür auch Wein genommen. Wir haben uns für Honig entschieden.« Augusta kam zum Hals. »Weißt du, Lily, Honig ist ein wunderbares Konservierungsmittel. Man kann alles Mögliche darin aufbewahren. Er versiegelt die Waben im Bienenstock, um sie zu schützen und rein zu halten, damit die Bienen im Winter überleben können. Wenn wir Unsere Liebe Frau damit einsalben, dann kann man wohl sagen, dass wir sie so auch für ein weiteres Jahr gewissermaßen konservieren, zumindest in unseren Herzen.«
»Ich wusste nicht, dass Honig konserviert«, sagte ich, und allmählich fand ich Gefallen daran, wie sich der Honig unter meinen Fingern anfühlte, wie sie wie geschmiert an dem Holz entlangglitten.
»Nun, die wenigsten Leute denken daran, aber Honig ist so wirksam, dass man früher die Toten damit eingerieben hat, um sie einzubalsamieren. Viele Mütter begruben ihre toten Babys so.«
Ich malte mir aus, wie Beerdigungsinstitute riesengroße Honiggläser für die Toten verkaufen würden, an Stelle von Särgen. Ich versuchte, mir das im Schaufenster des Beerdigungsinstituts vorzustellen.
Ich rieb meine Hände über das Holz und war fast ein wenig verlegen dabei, der Maria so nahe zu kommen.
Einmal beugte Mabelee ihren Kopf zu weit nach vorne, und schon hatte sie Honig im Haar kleben, aber Lunelle war die Krönung - ihr tropfte der Honig vom Ellbogen, und sie versuchte verzweifelt, ihn abzulecken, aber natürlich war ihre Zunge nicht lang genug.
Die Ameisen marschierten mittlerweile in einer Reihe an der Seite Unserer Lieben Frau hinauf, sie wurden vom Honig angezogen, und um nicht von den Ameisen ausgestochen zu werden, erschien auch gleich eine Hand voll Kundschafterbienen und landete auf dem Kopf Unserer Lieben Frau. Man braucht nur etwas Honig, und schon schwärmt das Reich der Insekten herbei.
Queenie sagte: »Und gleich stehen dann die Honigbären auf der Matte.«
Ich musste tatsächlich lachen, und als ich eine freie Stelle am Fuß der Statue entdeckte, rieb ich sie schnell mit Honig ein.
Unsere Liebe Frau war bedeckt mit Händen in allen Braunund Schwarztönen, die sich in alle möglichen Richtungen bewegten, aber dann geschah etwas Seltsames. Nach und nach fielen unsere Hände in die gleiche Bewegung ein, glitten die Statue langsam in einem Zug hinauf und wieder hinunter, dann wechselten sie in eine seitliche Bewegung, so wie ein Vogelschwarm, der in einem einzigen Moment am Himmel die Richtung ändert, während man sich verblüfft fragt, wer eigentlich den Befehl dazu gegeben hat.
Das ging ichweiß-nichtwielange so weiter, und niemand durchbrach die andächtige Stille. Wir konservierten Unsere Liebe Frau, und - zum ersten Mal, seit ich das von meiner Mutter erfahren hatte - fühlte ich mich wohl bei dem, was ich tat.
Schließlich traten wir alle zurück. Unsere Liebe Frau stand vor uns, ihre Ketten lagen verstreut auf dem Gras, und sie glänzte golden von Honig.
Die Töchter tauchten eine nach der anderen ihre Hände in einen Eimer voller Wasser und wuschen den Honig ab. Ich wartete bis zum Schluss, ich wollte so lange wie möglich die Honigschicht auf meiner Haut lassen. Es war, als trüge ich Handschuhe
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