Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees
gerufen wurde, um bei irgendjemandem im Garten eine Klapperschlange zu erschießen.
»Komm, los, Rosaleen«, sagte ich. »Was können die denn schon machen, es ist doch ein Polizist dabei!«
In dem Moment hob der Kartengeber den Arm mit der Taschenlampe hoch und schlug sie mit voller Wucht gegen Rosaleens Stirn. Sie fiel auf die Knie.
Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob ich geschrien habe, aber ich weiß noch, dass Mr. Gaston seine Hand auf meinen Mund presste. »Scht«, machte er.
»Vielleicht möchtest du dich ja jetzt entschuldigen«, sagte der Kartengeber.
Rosaleen versuchte, wieder auf die Füße zu kommen, aber es ging nicht, weil sie ihre Hände nicht zu Hilfe nehmen konnte. Mr. Gaston und ich mussten sie hochziehen.
»Du wirst dich mit deinem schwarzen Arsch schon noch entschuldigen, so oder so«, sagte der Kartengeber und trat auf Rosaleen zu.
»Lass gut sein, Franklin«, sagte Mr. Gaston und schob uns zur Tür. »Jetzt ist nicht die Zeit dafür.«
»Ich geb nich’ eher Ruhe, bis sie sich entschuldigt.«
Das war das Letzte, was ich ihn brüllen hörte, ehe wir ins Innere kamen und ich von dem Impuls überwältigt wurde, niederzuknien und den Fußboden des Gefängnisses zu küssen.
Meine einzige Vorstellung von Gefängnissen überhaupt stammte aus den Western, die ich im Kino gesehen hatte, aber dieses hier war vollkommen anders: Die Wände waren rosa und vor dem Fenster hingen Gardinen mit Blumenmuster. Allerdings stellte sich heraus, dass wir in der Wohnung des Gefängniswärters waren. Seine Frau kam in die Küche und fettete eine Backform ein.
»Hab hier noch zwei Mäuler, die gestopft werden müssen«, sagte Mr. Gaston, und sie ging wieder an ihre Arbeit, ohne uns auch nur ein mitleidiges Lächeln zu schenken.
Mr. Gaston führte uns durch den Raum nach vorne; dort gab es zwei Reihen Gefängniszellen, die alle leer waren. Er löste Rosaleens Handschellen und gab ihr ein Handtuch aus dem Badezimmer. Sie presste es an ihren Kopf, während er am Schreibtisch Papiere ausfüllte, und dann suchte er ziemlich lange in einer Schublade nach den Schlüsseln.
In den Zellen stank es nach Alkohol. Wir wurden in die erste Zelle in der ersten Reihe gesteckt, wo jemand die Worte »Scheiß-Thron« in eine Bank geritzt hatte, die an einer der Wände angebracht war. Wir sind im Gefängnis, dachte ich. Wir sind tatsächlich im Gefängnis.
Als Rosaleen das Handtuch wegnahm, sah ich ihre Wunde, sie klaffte drei Zentimeter lang über ihrer geschwollenen Augenbraue. »Tut es sehr weh?«, fragte ich.
»Etwas«, sagte sie. Sie ging zwei oder drei Mal im Kreis in der Zelle umher, ehe sie sich auf der Bank niederließ.
»T. Ray holt uns hier raus«, sagte ich.
»Mmm.«
Sie sagte kein einziges Wort mehr, bis Mr. Gaston eine halbe Stunde später endlich die Zellentür aufschloss. »Komm«, sagte er. Rosaleen sah ihn einen Moment hoffnungsvoll an. Sie machte sogar Anstalten aufzustehen. Er schüttelte den Kopf. »Du gehst nirgendwo hin. Nur das Mädchen.«
An der Tür klammerte ich mich an einem der Gitterstäbe fest, als ob er Rosaleens Armknochen wäre. »Ich komm zurück. Verstanden?... Verstanden, Rosaleen?«
»Na geh, los, ich komm schon klar.«
Der schicksalsergebene Ausdruck in ihrem Gesicht brachte mich fast um.
Die Tachonadel in T. Rays Laster zitterte so heftig, dass ich nicht erkennen konnte, ob sie Sechzig oder Siebzig anzeigte. Er hängte sich über das Lenkrad und stieg auf das Gaspedal, ging vom Gas, trat wieder drauf. Der arme Laster rappelte so sehr, dass ich erwartete, jeden Moment würde das Dach wegfliegen und ein paar Kiefern köpfen.
Ich malte mir aus, dass T. Ray nur nach Hause raste, damit er sogleich im ganzen Haus Pyramiden aus Grießflocken aufschütten könnte, auf denen ich dann der Reihe nach endlos lange knien müsste. Trotzdem konnte ich an nichts anderes denken als an Rosaleen im Gefängnis.
Ich warf ihm einen Blick von der Seite zu. »Was ist mit Rosaleen? Du musst sie da rausholen...«
»Du kannst von Glück sagen, dass ich dich rausgekriegt hab«, brüllte er.
»Aber da kann sie doch nicht bleiben...«
»Sie hat ihre schwarze Spucke über drei weiße Männer gekippt. Was verdammt hat sie sich dabei gedacht? Und noch dazu über Franklin Posey, Herrgott. Hätte sie sich dafür nicht’nen halbwegs Normalen aussuchen können? Der Kerl ist der mieseste Nigger-Hasser in ganz Sylvan. Der würd sie doch am liebsten umbringen, nur weil sie atmet!«
»Aber doch nicht
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