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Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees

Titel: Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Monk Kidd
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Glas an meine Brust, weil ich hoffte, es würde mich beruhigen, aber ich konnte nicht aufhören zu zittern und zu weinen. Ich bekam Angst, ich fühlte mich, als ob ich von einem Auto angefahren worden wäre, das ich nicht gesehen hatte, und als ob ich jetzt am Straßenrand läge und versuchte zu verstehen, was eigentlich passiert war.
    Ich saß auf der Bettkante, seine Worte gingen mir immer wieder im Kopf herum. Jedes Mal gab es einen Stich an der Stelle, wo ich mein Herz vermutete.
    Ich weiß nicht mehr, wie lange ich dort gekauert und mich gefühlt hatte, als ob ich in tausend Stücke zerbrochen wäre. Schließlich ging ich ans Fenster und sah die Pfirsichbäume entlang, die fast bis North Carolina reichten und die flehentlich ihre beblätterten Arme ausstreckten. Darüber waren nur noch der Himmel und die Luft und eine einsame Leere.
    Ich merkte, dass ich das Glas immer noch umklammert hielt. Ich stellte es weg und wischte mir die Tränen ab. Dann öffnete ich das Fenster und wrang das Taschentuch aus. Eine Brise trug meine Tränen davon und schüttelte sie über verbranntem Gras aus. Wie hätte sie mich je im Stich lassen können? Ich stand dort eine ganze Zeit lang, sah hinaus und versuchte zu begreifen. Einige Vögel sangen, es klang wunderschön.
    Da auf einmal kam mir der Gedanke: Was, wenn meine Mutter mich gar nicht verlassen hatte? Was, wenn T. Ray das nur erfunden hatte, um mich zu bestrafen?
    Mir wurde fast schwindelig vor Erleichterung. So war es. So musste es sein. Schließlich war mein Vater ein zweiter Thomas Edison, wenn es darum ging, sich eine neue Art auszudenken, wie er mich bestrafen konnte. Einmal, als ich ihm widersprochen hatte, erzählte er mir, mein Kaninchen Mademoiselle wäre gestorben, und ich hatte die ganze Nacht lang geweint, bis ich es am nächsten Morgen gesund und munter in seinem Stall entdeckte. Er musste auch das hier erfunden haben. Manche Dinge kommen auf dieser Welt einfach nicht vor. Kein Kind hatte gleich zwei Elternteile, die sich weigerten, es zu lieben.
    Es musste einfach genauso gewesen sein, wie er es früher immer erzählt hatte: An dem Tag, an dem der Unfall passiert war, hatte sie die Kleiderkammer aufgeräumt. Alle Leute räumen doch ständig irgendetwas auf.
    Ich atmete tief durch, um mich zu beruhigen.
    Ich hatte noch niemals eine echte religiöse Erfahrung gehabt, eine, bei der man sicher ist, dass eine fremde Stimme zu einem spricht, eine Stimme, die so wirklich ist, dass man ihre Worte am Himmel strahlen sieht. Aber eine solche Erfahrung machte ich jetzt, genau in dem Moment, genau hier, mitten in meinem Zimmer. Ich hörte, wie eine Stimme zu mir sprach: Lily Melissa Owens, auch du hast Flügel.
    Innerhalb von Sekunden war mir klar, was ich zu tun hatte - ich musste weg. Ich musste weg von T. Ray, der wahrscheinlich schon auf dem Weg war, um mir weiß-der-Himmelwas anzutun. Nicht zu vergessen, dass ich Rosaleen aus dem Gefängnis holen musste.
    Die Uhr zeigte 14.40 Uhr. Ich brauchte einen gut durchdachten Plan, aber ich hatte keine Zeit, mich hinzusetzen und einen zu entwickeln. Ich schnappte mir meinen rosa Leinensack, den ich benutzen wollte, wenn ich einmal bei Freunden übernachten würde - wenn mich nur endlich mal jemand einladen würde. Ich nahm die 38 Dollar, die ich beim Pfirsich-Verkaufen verdient hatte, und stopfte sie in meine Tasche, zusammen mit meinen sieben schönsten Unterhosen, auf denen die Wochentage standen. Ich packte Socken, fünf kurze Hosen, Oberteile, ein Nachthemd, Shampoo, Bürste, Zahnpasta, Zahnbürste, Haargummis, aber ich behielt dabei immer das Fenster im Auge. Was noch? Mein Blick fiel auf die Landkarte, ich riss sie von der Wand, ohne vorher die Heftzwecken herauszuziehen.
    Ich griff unter die Matratze und holte das Foto meiner Mutter, ihre Handschuhe und das hölzerne Bild der schwarzen Maria hervor und verstaute all das ebenfalls in meiner Tasche.
    Ich riss ein Blatt aus meinem Englischheft vom letzten Schuljahr heraus und schrieb eine Nachricht, die kurz und eindeutig war: »Lieber T. Ray, such nicht nach mir. Lily. P. S: Leute, die lügen, sollen in der Hölle schmoren.«
    Als ich noch einmal aus dem Fenster schaute, sah ich T. Ray gerade aus der Plantage auf das Haus zustürmen, mit geballten Fäusten und dem gesenkten Haupt eines blutrünstigen Bullen, der alles aufspießt, was ihm in die Quere kommt.
    Ich legte den Zettel auf meine Kommode und blieb einen Augenblick lang in der Mitte meines Zimmers stehen und fragte

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