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Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees

Titel: Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Monk Kidd
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Augen abspielen würde.
    »Nun denn«, sagte sie, »damals, zu Zeiten der Sklaverei, als die Menschen erniedrigt und wie Eigentum gehalten wurden, beteten sie jeden Tag und jede Nacht um ihre Erlösung. Es war auf den Inseln nahe Charleston, dort gingen sie in das Gotteshaus, und sie sangen und sie beteten, und jedes Mal flehten sie den Herrgott an, ihnen Rettung zu senden. Ihnen Trost zu spenden. Ihnen die Freiheit zu schenken.«
    Ich begriff sofort, dass sie diese ersten Zeilen schon Tausende Male wiederholt hatte und genauso aufsagte, wie sie die Worte aus dem Mund einer alten Frau gehört hatte, die sie wiederum von den Lippen einer noch älteren gehört hatte. Die Worte kamen heraus wie ein Gesang, in einem Rhythmus, in dem wir uns vor und zurück wiegten, bis wir nun selber auf den Inseln von Charleston waren und Hilfe erflehten.
    »Eines Tages aber«, sagte Augusta, »lud ein Sklave namens Obadja Ziegel auf ein Boot, das den Fluss Ashley hinunter segeln sollte, als er etwas sah, das ans Ufer gespült worden war. Als er näher kam, sah er, was es war, dass es die hölzerne Figur einer Frau war. Der Körper wuchs aus dem Holz heraus. Eine schwarze Frau mit erhobenem Arm und die Faust geballt.«
    Jetzt stand Augusta auf und machte die Pose nach. Sie sah genau aus wie die Statue, ihren rechten Arm erhoben und die Hand zu einer Faust geschlossen. Sie stand dort so eine ganze Weile lang, unbeweglich, und wir saßen vor ihr, völlig in ihrem Bann.
    »Obadja zog die Figur aus dem Wasser«, fuhr sie dann fort, »und mühte sich, sie aufrecht zu stellen. Er erinnerte sich, wie sie den Herrn gebeten hatten, ihnen Hilfe zu schicken. Ihnen Trost zu spenden. Obadja wusste, der Herr hatte ihnen diese Figur gesandt, doch er wusste nicht, wer sie war.
    Er kniete vor ihr nieder auf dem sumpfigen Ufer und hörte ihre Stimme, sie sprach ganz deutlich in seinem Herzen. Sie sprach: ›Fürchte dich nicht. Nun bin ich da. Ich will für dich sorgen.‹«
    Das hier war um Klassen besser als die Geschichte mit der Nonne Beatrix. Augusta schritt, während sie sprach, im Zimmer auf und ab. »Obadja versuchte, die Frau zu heben, die Gott ihm gesandt hatte, aber sie war mit Wasser voll gesogen, und sie war ihm zu schwer. So ging er und holte zwei weitere Sklaven, und gemeinsam trugen sie die Statue zu ihrem Gebetshaus und stellten sie dort auf.
    Als der nächste Sonntag kam, hatte ein Jeder schon von der Statue gehört, die an ihr Land gespült worden war, und wie sie zu Obadja gesprochen hatte. Das Gebetshaus war voller Menschen, sie drängten sich vor der Tür, sie saßen auf den Fensterbänken. Obadja erzählte ihnen, er wusste, der Herr hatte sie ihnen geschickt, doch wusste er nicht, wer sie war.«
    »Doch wusste er nicht, wer sie war!«, rief Sugar-Girl mitten in die Geschichte hinein. Dann fielen all die anderen Töchter Mariens ein und riefen immer wieder: » Und es war niemand unter ihnen, der sagen konnte, wer sie war.«
    Ich sah hinüber zu Rosaleen und erkannte sie kaum wieder, wie sie dort in ihrem Stuhl nach vorne gebeugt saß und mit in den Chor einfiel.
    Als wieder Stille eingekehrt war, sagte Augusta: »Aber die Älteste unter den Sklaven war eine Frau namens Pearl. Sie hatte einen Stock, und wenn sie sprach, hörte ein Jeder ihr zu. Nun stand sie auf und sprach: ›Dies hier ist die Mutter Jesu.‹
    Jeder unter ihnen wusste, dass die Mutter Jesu Maria hieß und dass sie viele Leiden hatte erdulden müssen. Dass sie stark und beständig war und das Herz einer wahren Mutter hatte. Und nun war sie hier, war ihnen auf dem gleichen Wasser gesandt, das sie selbst in Ketten hierher geführt hatte. Es war ihnen, als kannte sie all ihre Qualen.«
    Ich starrte die Statue an und spürte den Schmerz in meinem Herzen.
    »Und so geschah es«, sagte Augusta, »dass alle riefen und tanzten und in die Hände klatschten. Sie gingen der Reihe nach zu ihr und legten die Hand auf ihre Brust, das trostspendende Herz zu berühren.
    Dies taten sie nun jeden Sonntag dort im Gebetshaus, sie tanzten und legten ihre Hände auf die Statue, und schließlich malten sie ein rotes Herz auf die Brust Mariens, damit sie ein Herz hatten, das sie anfassen konnten.
    Unsere Liebe Frau erfüllte ihre Herzen mit Tapferkeit und flüsterte ihnen Fluchtpläne ein. Die Kühnen unter ihnen flohen, gen Norden, und die aber, die blieben, lebten fortan mit einer geballten Faust in ihrem Innern. Und wann immer Schwäche sie überkam, so mussten sie lediglich das Herz der

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