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Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees

Titel: Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Monk Kidd
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Maria berühren.
    Sie wurde so mächtig, dass es dem weißen Herren zu Ohren kam. Eines Tages schleppte er die Statue fort auf einem Karren und kettete sie im Kutschhaus an. Aber dann, ohne die Hilfe eines Menschen, entkam sie des Nachts und fand den Weg zurück ins Gebethaus. Der Herr kettete sie im Schuppen gar fünfzig Male an, und fünfzig Male löste sie die Ketten und kehrte zurück. Endlich gab er auf, und sie konnte bleiben.«
    Der Raum wurde still, als Augusta eine Minute lang ruhig da stand, damit wir uns besinnen konnten. Als sie wieder sprach, hob sie ihre Arme hoch. »Sie nannten sie Unsere Liebe Frau der Ketten. Aber nicht, weil sie Ketten getragen hatte...«
    » Nein, nicht, weil sie Ketten getragen hatte« , sangen die Töchter.
    »Sie nannten sie Unsere Liebe Frau der Ketten, weil sie die Ketten gesprengt hatte .«
    June klemmte das Cello zwischen ihre Beine und spielte »Amazing Grace«, und die Töchter Mariens standen auf und wogten hin und her wie Seetang am Grunde des Meeres.
    Ich hatte geglaubt, das wäre jetzt das große Finale, aber dann ging June hinüber zum Klavier und spielte eine jazzige Version von »Go Tell It on the Mountain«. Das war das Signal für Augusta. Sie tanzte hinüber zu Lunelle, die sich an Augustas Taille festhielt. Cressie hakte sich bei Lunelle ein, gefolgt von Mabelee, und los ging es durch das ganze Zimmer, so schwungvoll, dass Cressie ihren scharlachroten Hut festhalten musste. Als sie wieder zurück tanzten, machten auch Queenie und Violet mit, dann schließlich Sugar-Girl. Ich wollte auch dabei sein und mitmachen, aber ich sah nur zu, genau wie Rosaleen und Otis.
    Junes Spiel schien immer schneller zu werden. Ich fächelte mir Luft zu, mir wurde ein wenig schwindelig.
    Als der Tanz vorbei war, stellten sich die Töchter heftig atmend in einem Halbkreis um die Liebe Frau der Ketten, und was dann geschah, das raubte mir den Atem. Sie gingen eine nach der anderen zur Statue und berührten das verwitterte rote Herz.
    Queenie und ihre Tochter traten gemeinsam vor und rieben ihre Handflächen über das Holz. Lunelle drückte ihre Finger an das Herz, küsste dann jeden einzelnen so langsam und so bedächtig, dass mir die Tränen in die Augen stiegen.
    Otis beugte sich vor und lehnte seine Stirn gegen das Herz. Er stand dort am längsten von allen, sein Kopf an ihrer Brust, so als ob er ganz viel Kraft sammeln müsste.
    June spielte weiter, während sie der Reihe nach vortraten, bis nur noch ich und Rosaleen übrig blieben. May nickte June zu, dass sie mit der Musik fortführe, und nahm Rosaleens Hand, zog sie zur Lieben Frau der Ketten, damit Rosaleen ihr Herz berühren konnte.
    Auch ich wollte ihr blassrotes Herz berühren, es drängte mich geradezu hin zu ihr. Als ich aufstand, drehte sich alles ein wenig vor meinen Augen. Ich ging auf die schwarze Maria zu, mit erhobener Hand. Aber als ich sie gerade berühren wollte, hörte June auf zu spielen. Mitten im Lied hörte sie auf, ließ mich mit ausgestrecktem Arm in der Stille stehen.
    Ich zog den Arm zurück. Ich sah um mich. Mir war, als nähme ich alles durch die dicken milchigen Scheiben eines fahrenden Zuges wahr. Dann verschwamm alles. Wurde zu einer wogenden Menge von Farben. Ich gehöre nicht zu euch , dachte ich.
    Mein Körper fühlte sich taub an. Ich wünschte mir nur, ich könnte kleiner und kleiner werden, bis ich zu Nichts zusammengeschrumpft wäre.
    Ich hörte Augusta schimpfen: »June, was ist bloß in dich gefahren?«, aber ihre Stimme klang weit entfernt.
    Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf Augustas Bett am anderen Ende der Eingangshalle und hatte einen eiskalten Waschlappen auf meiner Stirn. Augusta und Rosaleen sahen zu mir herab. Rosaleen wedelte mir mit hochgehobenem Rock Luft zu.
    »Seit wann fällste denn in Ohnmacht?«, sagte sie und setzte sich zu mir auf das Bett. Die Matratze gab nach, und ich rollte gegen ihre Hüfte. Sie nahm mich in den Arm. Aus irgendeinem Grund erfüllte mich das mit mehr Traurigkeit, als ich aushalten konnte, und so machte ich mich los und behauptete, ich müsste unbedingt ein Glas Wasser trinken.
    »Vielleicht war es ja die Hitze«, sagte Augusta. »Ich hätte die Ventilatoren anstellen sollen. Hier drin war es bestimmt über 30 Grad.«
    »Mir geht es gut«, sagte ich, aber ehrlich gesagt war ich vollkommen durcheinander.
    Mir war, als wäre ich über ein unglaubliches Geheimnis gestolpert - es war möglich, die Augen zu schließen und das Leben hinter sich zu

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