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Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees

Titel: Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Monk Kidd
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Matratze und warte. Die Tür geht auf. Herein kommt meine Mutter. Sie folgt dem Honig, folgt den Drehungen und Windungen durch das Zimmer, bis sie an mein Bett kommt. Sie lächelt, sie ist so hübsch, aber dann sehe ich, dass sie kein richtiger Mensch ist. Sie hat die Beine von Kakerlaken, sie durchstoßen ihre Kleider, wachsen aus den Rippen heraus, an ihrem Körper entlang, sechs Beine, drei an jeder Seite.
    Ich hatte keine Ahnung, wer in meinem Kopf saß und sich so etwas ausdachte. Die Luft war nun dämmerig rosa, und es war kühl genug, sich zuzudecken. Ich zog ein Laken um meine Beine. Mir war speiübel, als ob ich mich übergeben müsste.
    In den nächsten Tagen war ich das reinste Nervenbündel. Ich fuhr schon aus der Haut, wenn jemand nur eine Münze auf den Boden fallen ließ. Beim Abendessen stocherte ich auf meinem Teller herum und starrte wie in Trance in die Gegend. Manchmal kroch das Bild meiner Mutter mit den Kakerlakenbeinen in meinen Kopf, und dann musste ich einen Löffel Honig schlucken, um meinen Magen zu beruhigen. Ich war so krabbelig, ich konnte nicht fünf Minuten von »American Bandstand« gucken, obwohl ich sonst an jedem einzelnen Wort von Dick Clark klebte.
    Ich ging im Haus herum, machte dann noch eine Runde und noch eine, blieb ab und zu stehen und stellte mir meine Mutter in einem der vielen Zimmer vor. Wie sie auf dem Klavierhocker saß und ihr Rock über den Sitz fiel. Wie sie vor Unserer Lieben Frau kniete. Wie sie die Rezeptsammlung bewunderte, die May aus Zeitschriften ausschnitt und an den Kühlschrank klebte. Ich starrte mit gesenktem Blick auf diese Bilder, ich sah nur auf, um zu prüfen, ob Augusta oder June oder Rosaleen mich beobachteten. Sie gluckten um mich herum, sie fühlten meine Stirn, um zu sehen, ob ich vielleicht Fieber hatte.
    Sie sagten: »Was ist denn nur los mit dir? Was ist denn in dich gefahren?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nichts ist los«, log ich. »Gar nichts.«
     
    Am späten Freitagnachmittag dann, als wir mit dem Reinigen der letzten Zargen fertig waren und sie eingelagert hatten, ging Zach nach draußen, um einen Blick unter die Motorhaube des Honigwagens zu werfen. Er ruckelte immer noch so komisch und lief dauernd heiß, obwohl Neil doch etwas am Motor gemacht hatte.
    Ich ging zurück in mein Zimmer und setzte mich auf mein Bett. Eine unglaubliche Hitze strahlte durch das Fenster. Ich hatte vor, aufzustehen und den Ventilator einzuschalten, aber ich blieb einfach sitzen und starrte in die Leere des milchigblauen Himmels, und ein trauriges, klaffendes Gefühl machte sich in mir breit. Ich konnte aus dem Radio des Honigwagens Musik hören, Sam Cooke sang »Another Saturday Night«, dann rief May Rosaleen etwas quer durch den Garten zu, wohl, dass sie die Laken von der Wäscheleine nehmen sollte. Und mir wurde wieder einmal schlagartig klar, dass das Leben dort draußen seinen Gang ging, während ich außen vor war, ich war eine Wartende, ich steckte fest in diesem entsetzlichen Zwiespalt: Ich lebte mein Leben und gleichzeitig auch nicht. Aber ich konnte nicht so weitermachen und so tun, als würde die Zeit nie zu Ende gehen, als würde dieser Sommer nie zu Ende gehen. Ich fühlte Tränen in mir aufsteigen. Ich musste reinen Tisch machen. Was auch immer geschehen würde... Nun, dann würde es eben geschehen.
    Ich ging hinüber zum Waschbecken und hielt mein Gesicht unter das kalte Wasser.
    Ich nahm einen tiefen Atemzug und steckte das Bild der schwarzen Maria und das Foto meiner Mutter in meine Tasche und ging hinüber zum rosa Haus, um Augusta zu suchen.
    Ich dachte, wir könnten uns an das Fußende ihres Betts setzen oder in die Liegestühle im Garten, falls dort nicht zu viele Moskitos wären. Ich stellte mir vor, wie Augusta dann sagen würde: Was geht denn in dir vor, Lily? Wollen wir uns nun endlich unterhalten? Darauf würde ich dann das hölzerne Bild hervorziehen und ihr endlich alles erzählen, und dann würde sie mir alles von meiner Mutter berichten.
    Wenn das doch nur passiert wäre, und nicht, was dann tatsächlich geschah.
     
    Als ich auf das Haus zustolperte, rief mir Zach vom Laster aus nach: »Willst du mit in die Stadt? Ich brauch’nen neuen Schlauch für den Kühler, eh der Laden zumacht.«
    »Ich muss mit Augusta sprechen«, sagte ich.
    Er schlug die Motorhaube zu und wischte sich die Hände vorne und hinten an seiner Hose ab. »Augusta ist mit Sugar-Girl im Salon. Sie kam weinend hier an. Irgendwas wegen Otis und dass er ihre

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