Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees
schien ihm gut zu gehen.«
Draußen zog der Nachthimmel über uns hinweg. Und mir war auch aufgefallen, dass Clayton gesagt hatte, es schien ihm gut zu gehen, damit wir alle verstünden, dass es ihm nicht gut ging, aber trotzdem so taten, als wäre alles gut.
Augusta schloss die Augen und strich mit den Fingern die Haut auf ihrer Stirn glatt. Ich sah einen hauchdünnen Film auf ihren Augen - die ersten Spuren von Tränen. Als ich aber tief in ihre Augen sah, entdeckte ich darin ein Feuer. Ein verlässliches Herdfeuer, zu dem man kriechen und sich daran wärmen konnte, wenn einem kalt war, und auf dem man sich etwas kochen konnte, das die traurige Leere im Innern ausfüllte. Ich hatte das Gefühl, dass wir hilflos in der Welt umher trieben, und alles, was wir hatten, war das Feuer in Augustas Augen.
Ich verstand vollkommen, wie manche Leute zu richtigen Kriminellen werden können. Das erste Verbrechen ist am schwersten. Danach denkt man dann nur noch: Eins mehr oder weniger, was soll’s? Ein paar Jahre mehr im Knast. Na wenn schon.
»Was tun’se denn jetzt deshalb?«, sagte Rosaleen, die neben Clayton stand und zu ihm hinuntersah. Ihre Brüste hingen bis auf den Bauch, und sie hatte die Fäuste in die Hüften gestemmt. Sie sah aus, als hätte sie am liebsten, wenn wir uns jetzt alle den Mund randvoll mit Kautabak stopfen und umgehend zum Gefängnis von Tiburon marschieren würden, um den Leuten da kräftig auf die Schuhe zu spucken.
Auch Rosaleen hatte Feuer in sich. Kein beständiges Herdfeuer, so wie Augusta, nein, sie konnte, wenn nötig, anderen Leuten Feuer unter den Hintern machen und für Bewegung sorgen. Rosaleen erinnerte mich an die Statue Unserer Lieben Frau im Salon, und mir ging durch den Sinn: Wenn Augusta das rote Herz auf der Brust von Maria ist, dann ist Rosaleen die Faust.
»Ich tue mein Bestes, um ihn da rauszuholen«, sagte Clayton, »aber ich fürchte, er muss einfach noch eine Weile drin bleiben.«
Ich griff in meine Tasche, und da war das Bild der schwarzen Maria, und plötzlich fiel mir all das ein, was ich Augusta über meine Mutter hatte erzählen wollen. Aber wie konnte ich das jetzt tun, jetzt, wo so etwas Schreckliches mit Zach passiert war? Alles, was ich ihr sagen wollte, musste jetzt warten.
»Ich finde nicht, dass May davon wissen sollte«, sagte June. »Es würde sie wahnsinnig machen. Ihr wisst doch, wie sehr sie an dem Jungen hängt.«
Wir alle sahen zu Augusta. »Du hast Recht«, sagte sie. »Für May wäre das zu viel.«
»Wo ist sie?«, fragte ich.
»In ihrem Bett, sie schläft«, sagte Rosaleen. »Sie war fix un’ fertig.«
Mir fiel ein, dass ich sie am Nachmittag gesehen hatte, hinten im Garten, sie hatte eine Ladung Steine mit dem Karren hinter sich her gezogen. Sie verlängerte ihre Mauer. Als ob sie geahnt hätte, dass ein Anbau dringend nötig werden würde.
Das Gefängnis von Tiburon hatte keine Vorhänge, so wie das von Sylvan. Es war ein Klotz aus grauem Beton mit Metallfenstern und schlechtem Licht. Ich wusste, es war eine unglaubliche Dummheit, dort hineinzugehen. Ich war doch selber auf der Flucht vor der Justiz, aber was tat ich? Rauschte in ein Gefängnis, in dem vermutlich lauter Polizisten herumsaßen, die darin ausgebildet waren, Leute wie mich wiederzuerkennen. Aber Augusta hatte mich gefragt, ob ich mitkommen wollte, Zach besuchen. Wie hätte ich denn da Nein sagen können?
Der Polizist im Gefängnis hatte einen Bürstenhaarschnitt und war riesengroß, noch größer als Neil, und der war ja schon so groß wie Wilt Chamberlain, der Basketballer. Er schien nicht besonders begeistert über unser Erscheinen. »Bist du die Mutter?«, fragte er Augusta.
Ich sah auf sein Namensschild. Eddie Hazelwurst.
»Ich bin seine Patentante«, sagte Augusta, sie stand sehr gerade. »Und dies ist eine Freundin der Familie.«
Sein Blick glitt herüber zu mir. Er nahm ein braunes Klemmbrett vom Schreibtisch und machte die Klammer ständig auf und zu, während er versuchte, sich zu entscheiden, was er mit uns tun sollte. »Na schön, ihr kriegt fünf Minuten«, sagte er schließlich.
Er öffnete die Tür zu einem Korridor, der zu einer Reihe von vier Zellen führte, und in jeder saß ein schwarzer Junge. Der Gestank von Schweiß und ranzigem Urin war fast zu viel für mich. Ich hätte mir am liebsten die Nase zugehalten, aber ich wusste, das wäre eine ganz schlimme Beleidigung gewesen. Die armen Kerle konnten ja nichts dafür, dass sie stanken.
Sie saßen
Weitere Kostenlose Bücher