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Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees

Titel: Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Monk Kidd
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dass ich etwas sagte, aber mir fiel nichts ein. Das Summen des Kühlschranks füllte die Stille. In mir stieg ein seltsames Gefühl auf. Etwas bahnte sich allmählich seinen Weg. Eine Erinnerung. Ich stand da und wartete und ließ einen Satz in mein Gedächtnis zurückkehren: Deine Mutter hat sich wie eine Irre aufgeführt, wenn es darum ging, ihre blöden Schaben zu retten, hatte T. Ray einmal gesagt. Sie verbrachte Stunden damit, Schaben mit ganz klein zerbröselten Marshmellows und winzigen Kekskrümeln aus dem Haus zu locken.
    Ich sah wieder zu May. Könnte meine Mutter den Trick mit den Schaben von May gelernt haben?, dachte ich. Wäre das möglich?
    Seit dem Moment, seit ich einen Fuß in dieses rosa Haus gesetzt hatte, hatte ein Teil von mir immer geglaubt, meine Mutter wäre hier gewesen. Also, nun, eigentlich nicht wirklich geglaubt, aber ich hatte es mir erträumt, ich hatte die Vorstellung in den Kammern meines Wunschdenkens geformt. Aber jetzt, jetzt, wo die Möglichkeit zum Greifen nahe schien, schien es so weit hergeholt, so abwegig, völlig verrückt. Nein, das kann nicht sein , dachte ich wieder.
    Ich ging hinüber und setzte mich an den Tisch. Die Schatten des späten Nachmittags drängten ins Zimmer. Sie waren pfirsichfarben, sie glitten herein und hinaus, die Küche lag vollkommen still. Selbst das Summen des Kühlschranks war erstorben. May war wieder mit ihren Krümeln beschäftigt. Sie schien mich völlig vergessen zu haben.
    Meine Mutter hätte das auch aus einem Buch haben können, oder vielleicht sogar von ihrer eigenen Mutter. Und wie wollte ich wissen, ob nicht alle Haushalte diese besondere Schaben-Methode kannten? Ich stand auf und ging zu May. Ich spürte ein zittriges Gefühl hinten an meinen Kniekehlen. Ich legte eine Hand auf ihre Schulter. Okay, dachte ich, dann los . Ich sagte: »May, hast du mal eine Deborah gekannt? Eine Deborah Fontanel? Eine Weiße aus Virginia? Das müsste allerdings schon ziemlich lange her sein.«
    May war nicht im Mindesten raffiniert, und man konnte sich darauf verlassen, dass sie ihre Antworten nicht lange überdachte. Sie sah nicht auf, sie wartete nicht ab, sie sagte einfach: »Aber ja, Deborah Fontanel. Sie wohnte damals im Honighaus. Sie war so ein süßes Ding.«
    Und das war es.
    Einen Moment lang wurde mir schwindelig. Ich musste nach der Fensterbank greifen, um nicht umzufallen. Die Krümel und Marshmellows auf dem Boden fingen an, sich zu bewegen, sie sahen fast lebendig aus.
    Ich hatte noch eine Million Fragen und mehr, aber May hatte angefangen, »O Susanna!« zu summen. Sie stellte die Dose mit den Kräckern auf dem Boden ab und stand langsam auf, sie fing an zu schnüffeln. Irgendetwas wegen Deborah Fontanel hatte das ausgelöst.
    »Ich glaube, ich gehe dann mal für eine Weile zu meiner Mauer«, sagte sie. Und ließ mich in der Küche stehen, fiebrig und atemlos, und unter mir gab der Boden nach.
    Als ich zurück zum Honighaus ging, achtete ich nur darauf, wie meine Füße auf den hart gebackenen Grund in der Einfahrt traten, auf die bloß liegenden Baumwurzeln, das frisch gewässerte Gras, ich spürte, wie sich die Erde unter mir anfühlte, verlässlich, lebendig, uralt, sie war da, sie war jedes Mal da, wenn mein Fuß sich ihr näherte. Sie war da, da und da, sie war immer da. So wie eine Mutter da sein sollte.
    » Aber ja, Deborah Fontanel. Sie wohnte damals im Honighaus. Sie war so ein süßes Ding.«
    Im Honighaus setzte ich mich auf mein Feldbett, zog die Knie an, legte meine Arme darum und machte mir ein Bänkchen, um mein Gesicht darauf zu legen. Ich sah den Fußboden und die Wände mit ganz neuen Augen. Meine Mutter war in diesem Zimmer umhergegangen. Sie war Wirklichkeit geworden. Sie war nicht mehr nur eine Figur, die ich mir ausgedacht hatte, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut.
    Ich hatte ganz sicher nicht damit gerechnet einzuschlafen, aber wenn einen etwas so vollkommen aus der Fassung bringt, dann will der Körper nur noch schlafen und davon träumen.
    Ich wurde eine Stunde später wieder wach, ich war noch in diesem nebeligen Raum, in dem man sich noch nicht genau erinnert, was man geträumt hat. Aber dann überfiel es mich wieder:
    Ich lege eine spiralförmige Spur aus Honig durch ein Zimmer, das in dem einen Moment im Honighaus zu sein scheint, dann wieder bin ich in meinem Kinderzimmer in Sylvan. Ich fange bei einer Tür an, von der ich nicht weiß, wo sie hinführt, und höre an meinem Bett auf. Dann sitze ich auf der

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