Die Bischöfin von Rom
ich mich gefühlt hätte, wenn sie das gestern draußen in der Wildnis von mir verlangt hätte«, bekannte Haimo gegenüber der Alten, nachdem er sich wieder gefaßt hatte. »Aber wahrscheinlich wußte sie, daß sie dann den weiten Weg hierher nicht mehr geschafft hätte.«
»Jetzt jedenfalls spürt sie eine Zeitlang nichts mehr«, flüsterte Hulda. »Und wenn sie sich ein wenig erholt hat, wird sie uns hoffentlich sagen können, wie wir ihre gebrochenen Knochen versorgen und das schreckliche Fieber bekämpfen sollen.«
Der Jäger nickte; wenig später ging er hinaus, um den Dorfbewohnern vom Zustand der Kranken zu berichten. Die Greisin blieb in dem einfach eingerichteten Haus des unverheirateten Mannes. Still saß sie neben der Lagerstatt und betrachtete die junge Frau, die aus ihrer Bewußtlosigkeit neuerlich in einen tiefen Erschöpfungsschlaf geglitten war.
Erst am frühen Nachmittag kam Branwyn wieder zu sich und klagte über quälenden Durst. Haimo, der mittlerweile zurückgekehrt war und einen Krug Branntwein mitgebracht hatte, flößte ihr einen Becher des starken, jedoch mit Wasser verdünnten Getränks ein. Nachdem die Kranke die Flüssigkeit geschluckt hatte, sah es zunächst so aus, als würde sie abermals einschlafen, doch dann heftete sie ihre Augen plötzlich auf Hulda und forderte: »Du mußt dich nun um meine übrigen Verletzungen kümmern!«
Danach gab sie ihre Anweisungen, und die Greisin bemühte sich, alles genauso zu machen, wie Branwyn es von ihr verlangte. Sie reinigte die äußerlichen Wunden der jungen Frau und legte ihr sodann unter Mithilfe des Jägers einen Preßverband um den oberen Bereich des Brustkorbs mit den gebrochenen Rippen. Auf die gleiche Weise versorgte sie das blessierte Schlüsselbein und die rechte Schulter, so daß die Knochenbruchstellen sich nicht mehr gegeneinander verschieben konnten und das ausgerenkte Gelenk Halt bekam. Als es endlich geschafft war, sank Branwyn schweißgebadet auf den Strohsack zurück und blieb, während die beiden anderen sie mitleidig musterten, eine ganze Weile stumm liegen.
Dann aber überwand sie ihre Schwäche und fragte Hulda: »Hast du getrocknete Lindenblüten, aus denen du einen Sud gegen das Wundfieber herstellen könntest?«
Nach kurzem Nachdenken entgegnete die Greisin: »Walbirg bewahrte solche Heilpflanzen in ihrem Haus auf. Ich werde gehen und nachsehen, ob noch welche davon da sind.«
Damit schlurfte sie hinaus; der Jäger nutzte die Wartezeit, um einen zweiten Becher mit Branntwein und Wasser für die Kranke zu mischen. Als die Alte wiederkam, trug sie tatsächlich einen kleinen Leinenbeutel in der Hand, der freilich fast leer zu sein schien, und äußerte kleinlaut: »Das ist alles, was ich gefunden habe. Es wird leider für höchstens drei Aufgüsse reichen.«
Branwyns Enttäuschung war so groß, daß ihr die Tränen in die Augen schossen. Wie zuvor schon wünschte sie sich inständig, es wäre etwas von ihren eigenen Heilkräutern aus Avalon übrig, doch sie hatte alles bei der Versorgung der Verwundeten in Samarobriva verbraucht.
Haimo, der sichtlich mit ihr litt, legte ihr die Hand auf die gesunde Schulter und versuchte sie zu trösten: »Vielleicht besitzt irgendeine der Bäuerinnen Lindenblüten. Ich werde nachher im Dorf herumgehen und mich erkundigen. Aber zunächst will ich Feuer machen und den Kessel aufsetzen, damit Hulda den Sud für dich zubereiten kann.«
Wenig später war der Arzneitee fertig. So heiß wie möglich trank Branwyn ihn; anschließend bat sie den Jäger und die Greisin, alles, was an Decken und Fellen verfügbar war, über sie zu breiten. Unmittelbar darauf brach der Kranken neuerlich der Schweiß aus. Ihre Glieder wurden matt, Wellen von Müdigkeit durchfluteten ihren Körper. Ehe sie in betäubten Schlaf sank, hoffte sie, die Kraft des Aufgusses würde ausreichen, um es mit dem in ihrem Blut wühlenden Wundfieber aufzunehmen.
Wirklich sah es gegen Abend so aus, als hätte sich Branwyns Zustand ein wenig gebessert. Hulda verabreichte ihr wiederum etwas von dem Sud, und die junge Frau verbrachte eine relativ ruhige Nacht. Am Morgen vermochte sie einen Napf Suppe zu sich zu nehmen, die der Jäger für sie zubereitet hatte; außerdem war es Haimo in der Tat gelungen, eine weitere Handvoll getrockneter Lindenblüten aufzutreiben. Der kleine Vorrat reichte aus, um die Kranke an diesem und dem folgenden Tag zu versorgen. Langsam, aber stetig sank das Fieber – dann allerdings, nachdem die
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