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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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Schritte dahinter, als er nahe genug an den verkrümmten Leib herangekommen war, begriff er daß zumindest für ihn keine Gefahr mehr bestand, denn die hier wirr durcheinanderlaufenden Wolfsfährten zogen sich weiter zur Schlucht am anderen Ende der Talsenke.
    Gleich darauf kniete Haimo neben der jungen Frau mit dem langen rotblonden Haar. Der Anblick ihres zerrissenen, blutverkrusteten Gewandes und der Schrammen auf ihrem anziehenden, aber totenbleichen Antlitz erschütterte ihn. Ihre Linke umklammerte noch immer eine abgebrochene Lanze, mit der sie sich offenbar verzweifelt gegen die Raubtiere gewehrt hatte. Doch nun lag sie starr auf der Erde bei einer erloschenen Feuerstelle; halb im Schatten des Buschwerks und eines seitlich davon aufragenden Felsens.
    Eine Tragödie mußte sich hier abgespielt haben; ein Unglück, das freilich nicht mit den Wölfen allein zu tun haben konnte. Der zertrümmerte Planwagen drüben bei der Geröllhalde sowie etliche über den Wiesenplan verstreute Waffen bewiesen, daß der Kaufmannszug, ehe die Raubtiere ihre Beute gewittert hatten, von irgendwelchen Wegelagerern überfallen worden war; anschließend hatte man die wahrscheinlich bereits verwundete Frau hilflos zurückgelassen.
    Mitleidig strich Haimo der Fremden eine Haarsträhne aus der Stirn und erinnerte sich daran, wie sie zwei Tage zuvor in der Ansiedlung aufgetaucht war: das einzige weibliche Wesen unter Dutzenden rauhborstiger Männer. Sie hatte ihn beeindruckt, weil sie so anders wirkte als die Treiberknechte und Reiter des Handelsherrn; sie hatte eine besondere Ausstrahlung besessen, die selbst jetzt, im Tod, noch spürbar war. Um so schrecklicher erschien dem Jäger das Schicksal, dem sie zum Opfer gefallen war – und nun blieb ihm nichts anderes mehr, als sie zu begraben.
    Haimos Blick fiel auf die Birke, an der er vorhin vorbeigekommen war. Nach kurzem Überlegen entschloß er sich, sie dort beizusetzen; irgendwie schien der Baum mit der hellen Rinde ihr zu entsprechen. Noch einmal berührte er ihr rotgoldenes Haar, dann machte er sich daran, ihre Hand von dem zerbrochenen Lanzenschaft zu lösen. Weil ihre Finger sich förmlich um das Holz gekrampft hatten, griff der Jäger nach einem ersten behutsamen Versuch fester zu – im selben Moment erwachte Branwyn aus ihrer tiefen Ohnmacht.
    Verschwommen nahm sie die Pelzkappe und den Vollbart des Waidmannes wahr; in ihrer schockartigen Verwirrung glaubte sie, die Bestien seien zurückgekehrt, und schrie gellend auf. Sie wehrte sich gegen Haimo; erst nach einer Weile wurde ihr bewußt, daß sie es mit einem Menschen zu tun hatte, der jetzt, nachdem er seine eigene Verblüffung überwunden hatte, besänftigend auf sie einredete. Mehrmals schluckte sie krampfhaft, endlich war sie fähig, die Frage hervorzustoßen: »Die Wölfe, sind sie weg?!«
    »Weit weg!« versicherte der Jäger. »Du brauchst keine Angst mehr zu haben!«
    Die Anspannung der jungen Frau löste sich in einem Tränenstrom, dann brach es aus ihr heraus: »Mit meinen Knochenbrüchen wäre ich eine Last für ihn gewesen … Deshalb ließ Paulinus Lupus mich eiskalt im Stich … So gut wie hilflos saß ich dort drüben unter der Birke … Und die Nacht rückte immer näher … Die Dunkelheit, aus der die Raubtiere kommen würden …«
    Erneut erstickte ein Schluchzen ihre Stimme; Haimo wartete geduldig, bis sie sich einigermaßen beruhigt hatte, ehe er feststellte: »Doch du hast es geschafft, dich gegen sie zu verteidigen!«
    »Unter dem Baum wäre es unmöglich gewesen …« stammelte Branwyn. »Erklimmen konnte ich ihn wegen meiner Verletzungen nicht, und auf der Erde hätten sie mich von allen Seiten angreifen können … Deshalb mußte ich hierher, in den Schutz des Felsens und des Gestrüpps … Und es mußte mir gelingen, rechtzeitig ein Feuer zu entfachen … Also schleppte ich mich zu dem zertrümmerten Wagen, wo es abgesplitterte Bretter gab … Ich brachte herüber, was ich tragen konnte, und fand auch die Lanze … Und ich hatte mein Messer, mit dem ich trockenes Holz aus dem Gebüsch schnitt und Späne schabte … Aber ich konnte nur den linken Arm gebrauchen, so daß es sehr lange dauerte … Noch schwieriger war es, Funken aus dem Flintstein zu schlagen, der sich in meinem Gepäck befand … Ich verzweifelte fast, ehe ich den ersten Holzspan zum Glimmen brachte … Doch zuletzt, es war inzwischen schon ganz dunkel, glückte es mir …«
    »Du warst unglaublich tapfer!« äußerte

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