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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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formierten sich die Thraker erneut zu Sechserreihen. Wenig später war die Prozession jenseits der Tiberbrücke verschwunden; diesseits, im Stadtteil der einfachen Leute, löste sich die Spannung in vielhundertstimmigem Jubel. Die Menschen begriffen, daß ihnen aufgrund ihres gewaltlosen Zusammenstehens etwas Großes gelungen war; etwas, das auf nie zuvor erlebte Art mit dem zu tun hatte, was den scheinbar Schwachen in den Evangelien verheißen worden war.
    Calpurnia umarmte Branwyn; in ihren Augenwinkeln glitzerten Freudentränen, während sie zu der jüngeren Frau sagte: »Der gute Rat, den du uns gestern gabst, machte es möglich, ein furchtbares Unglück zu verhindern. Wir alle sind dir unendlich dankbar dafür!«
    »Es war unsere gemeinsame Kraft, die den Frieden bewahrte«, entgegnete Branwyn bescheiden.
    Kaum hatte sie sich wieder von der Presbyterin gelöst, sah sie sich einem Arianer gegenüber, der ihr wortlos die Hand drückte, ehe er zusammen mit einigen seiner Gefährten in einer Seitengasse verschwand.
    Branwyn aber wurde jetzt von Angehörigen der Kirchengemeinde umringt; Frauen wie Männer fanden anerkennende Worte für sie. Deshalb dauerte es eine Weile, bevor sie sich abermals Calpurnia zuwenden und ihr die Frage stellen konnte, die ihr schon vorhin auf der Zunge gelegen hatte: »Was geschah mit dir, als wir die Menschenkette bildeten? Ich hatte den Eindruck, du würdest taumeln, oder täuschte ich mich?«
    »Es war nichts!« versicherte die Presbyterin. »Nur eine kleine, vorübergehende Schwäche, schließlich bin ich nicht mehr so jung wie du …«
    »Doch nun ist alles wieder in Ordnung?« vergewisserte sich Branwyn.
    »Ja, es war nur die Aufregung«, beteuerte Calpurnia, dann wechselte sie das Thema: »Hoffentlich erreicht die Papstprozession nun ohne weitere Zwischenfälle den Lateran!«
    »Ich glaube, es wird nichts mehr passieren«, beruhigte Gaius seine Schwiegermutter. »Denn die Arianer, denen die protzige Zurschaustellung seiner Macht besonders widerwärtig war, hatten sich alle hier versammelt. Ich sprach soeben mit einem von ihnen, und er versicherte mir, daß es anderswo keine Störaktionen mehr geben werde.«
    »Wenn es sich so verhält, hat Liberius nicht erreicht, worauf er es anlegte«, fiel Camilla ein. »Ganz ohne Zweifel suchte er ja die Konfrontation, indem er die Söldner vorschickte, statt sich selbst um Ausgleich zu bemühen, wie ein wahrer Priester es getan hätte. Und jetzt, da der blutige Zusammenstoß, den er wohl herbeiführen und anschließend für seine Zwecke ausschlachten wollte, vermieden werden konnte, ist er der Besiegte.«
    »Laßt uns Gott dafür danken, daß die Vernunft sich stärker als der Haß erwies«, wandte die Presbyterin sich an die Umstehenden. Ihre Aufforderung wurde weitergegeben, und dann schlugen die Bürger von Trans Tiberim, die Branwyns Rat, eine Menschenkette zu bilden, befolgt hatten, den Weg zur Kirche Sancta Maria ein.
    ***
    Die Prozession des Papstes hingegen zog – vorbei am Capitol, dem Kolosseum und den Trajans-Thermen – zum Lateranpalast. Tatsächlich kam es nicht noch einmal zu einem ernsthaften Zwischenfall; lediglich mit dem ablehnenden Schweigen der Römer mußte sich Liberius auch nun wieder abfinden.
    Zuletzt, als der Papst in einem der Innenhöfe seiner Residenz aus der Sänfte stieg, hatte er unvermittelt das Gefühl, erneut das Lied zu hören, das er in Trans Tiberim vernommen hatte. Verbittert preßte der Kirchenfürst die Lippen aufeinander und nahm sich vor, künftig ein besonderes Augenmerk auf die Kirchengemeinde dort zu haben.

Das Katakombengrab
    Zwar war es während des Papsteinzuges in Rom gelungen, Blutvergießen zwischen den Anhängern der verfeindeten christlichen Glaubensrichtungen zu vermeiden, dennoch hielten die Auseinandersetzungen im Lauf dieses Sommers 358 an. Während Juli und August verstrichen, verschärften sich die Fronten; die Schuld daran trug vor allem Liberius, welcher die Arianer weiterhin provozierte. Er, der vor seinem Aufstieg an die Spitze des Patriarchats selbst der Lehre des Presbyters aus Alexandria angehangen hatte, ehe er, von Machtgier getrieben, ins Lager derer übergelaufen war, welche dogmatisch die Göttlichkeit Christi verkündeten, suchte die Konfrontation jetzt zumeist auf theologisch-juristischer Ebene. Seine Berater, die zum Teil vom Kaiserhof in Konstantinopel stammten, fanden immer neue Mittel und Wege, um die arianischen Christen in ihren Rechten zu beschneiden, und

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