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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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wenige winkten, und lediglich dort, wo sich Scharen erklärter Anhänger des Patriarchats zusammengefunden hatten, wurden laute Hochrufe ausgebracht.
    Wenn dies geschah, wandte der Papst den Kopf und hob den Arm zum Segen; ansonsten nahm er die Ablehnung, die ihm so spürbar entgegenschlug, mit steinerner Miene hin. Dann jedoch – es geschah ungefähr auf der Höhe von Sancta Maria, wo die Straße sich gabelte und der Prozessionszug nach links zur Tiberbrücke abbog – zuckte der Kirchenfürst plötzlich zusammen und rief im nächsten Moment einen scharfen Befehl über die Schulter. Augenblicklich trieb der thrakische Häuptling seinen Rappen an, brachte ihn neben die Sänfte und beugte sich aus dem Sattel, um zu hören, was Liberius ihm zu sagen hatte. Der Papst stieß einige barsche Sätze hervor und deutete dabei nach vorne, wo der Zug jetzt erneut ins Stocken geriet.
    Daraufhin riß der Thraker seine Streitaxt aus dem Futteral, schwang sie über dem Helm und gab damit seinen Kriegern das Zeichen, sich in Laufschritt zu setzen. Rasch schlossen sie zu ihrem Häuptling auf, und im Trab führte dieser sie dorthin, wo die Fuhrwerke mit den Reliquienschreinen zum Stehen gekommen waren und die Menschenmenge erregt hin und her wogte.
    ***
    Calpurnia spürte einen jähen, schneidenden Schmerz in der Herzgegend, als sie die Bogenschützen mit dem barbarisch gerüsteten Reiter an der Spitze herannahen sah. Während sich ihre Hand über der Brust zusammenkrampfte, schoß ihr durch den Kopf, daß genau dies die Situation war, vor der sie sich alle gefürchtet hatten. Denn zweifellos galt der Vorstoß der Söldner den Dutzenden erregter Männer und Burschen, die vorhin unversehens über die Brücke gerannt waren, sich zwischen die zwölf gepanzerten Palastwächter und die Reliquienwagen gedrängt hatten und nun die Fahrer der Gespanne sowie die sie begleitenden Prozessionsteilnehmer herausforderten. Schimpfworte flogen hin und her; manche Arianer schleuderten Kotbrocken gegen die Schreine oder schwangen Knüppel, andere machten Anstalten, auf die berittenen Kleriker, Akoluthen und Chorknaben loszugehen, die sich hinter den Fuhrwerken befanden und ihrerseits nicht mit Drohungen und Beleidigungen sparten.
    Jetzt, da die Thraker den Eingreifbefehl des Papstes ausführten, steigerte sich die aggressive Stimmung. Höchstens fünfzig Schritte trennten die Krieger noch von der Stelle, wo der Aufruhr tobte. Die Presbyterin wußte, es würde unweigerlich Blut fließen, wenn die Söldner und die Arianer direkt zusammenstießen; wieder durchzuckte der stechende Schmerz Calpurnias Brust. Sie taumelte, grelle Lichtfunken flirrten vor ihren Augen; den Zuruf der jungen Frau an ihrer Seite, die nach ihrem Arm griff, vernahm sie nur undeutlich. Dann, als der Anfall vorüberging, wurde sie gewahr, daß sich die Thraker nun zwischen die Pferdegespanne mit den Reliquienschreinen und die aufgebrachte Menschenmenge am Straßenrand schoben. Blitzschnell machten die Söldner Front gegen die Arianer, zogen Pfeile aus den Köchern, legten sie auf die Sehnen und spannten die Bogen.
    Es war dieser bedrohliche Anblick, welcher der Presbyterin ihre Spannkraft zurückgab. Entschlossen richtete sie sich auf und stimmte in das Friedenslied ein, das plötzlich aus Hunderten von Kehlen erklang. Branwyn und Angela, die links und rechts von Calpurnia standen und sich bei ihr eingehakt hatten, sangen das Lied; ebenso Angelas Eltern Camilla und Gaius sowie Hunderte weiterer Mitglieder der Gemeinde Sancta Maria, die eine Menschenkette gebildet hatten und auf diese Weise die zum Kampf bereiten Thraker von den arianischen Agitatoren trennten.
    Die Situation hatte etwas Unwirkliches an sich; eine Weile hing alles in der Schwebe – dann aber senkte der erste Arianer seinen Knüppel, und fast mit demselben Lidschlag entspannte jener thrakische Söldner, der eben noch auf ihn gezielt hatte, die Bogensehne. Gleich darauf folgten andere und schließlich alle diesem Beispiel; ein Aufatmen ging durch die Menge, und wiederum im nächsten Moment trieb der vorderste Fuhrmann sein Gespann an. Die Reliquienwagen rollten weiter und erreichten die Brückenauffahrt; die berittenen Priester, Akoluthen und Chorknaben folgten ihnen. Danach wurde die Sänfte des Papstes vorübergetragen; der Kirchenfürst wirkte nun verwirrt: beinahe so, als hätte er eine ihm unbegreifliche Niederlage erlitten.
    Erst als der Troß vorbeizog, verstummte der Gesang; hinter den Gepäckwagen

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