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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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Weidenkörbe bei sich, aus denen sie Blütenblätter auf das Straßenpflaster streuten. Denn nun nahte Papst Liberius selbst, und mit seinem Erscheinen erreichte das Gepränge seinen Höhepunkt.
    Das Oberhaupt des römischen Patriarchats thronte in einer pompösen Sänfte, die von zwölf dunkelhäutigen nubischen Sklaven geschleppt wurde. Diese Nordafrikaner waren nackt bis auf einen Lendenschurz; in scharfem Gegensatz dazu stand das Erscheinungsbild des Papstes: Liberius nämlich trug das Prunkgewand eines Pontifex Maximus. In der Spätzeit des Weströmischen Kaiserreiches hatten die Imperatoren selbst dieses Hohepriesteramt im Staatstempel des Jupiter innegehabt; nun, da der Regierungssitz nach Konstantinopel verlegt worden war, wollte der Papst durch seine von Gold und Silber strotzende Zeremonialkleidung offenbar dokumentieren, daß er die Nachfolge jener letzten am Tiber regierenden Kaiser angetreten hatte.
    Da die Toga seine Gestalt fast völlig verhüllte und die hohe Mitra mit den reich verzierten Wangenbändern sein Gesicht weitgehend unkenntlich machte, ließ sich das Alter des Liberius schwer schätzen. Diejenigen unter den Schaulustigen, die ihn bereits früher gesehen hatten, wußten jedoch, daß der großgewachsene Mann mit den stechenden Augen und dem unnatürlich bleichen Teint kaum mehr als vierzig Jahre zählte. Starr und einem Popanz gleich saß der Papst unter dem purpurnen Baldachin, der ihn vor der Sonnenglut schützte. Sein Blick schien die Menschen am Straßenrand überhaupt nicht wahrzunehmen: die Bauern, Fischer und sonstigen einfachen Leute aus dem Umland der Metropole, die den Kirchenfürsten, während er an ihnen vorüberkam, mit gemischten Gefühlen betrachteten – und sofort danach mit einer bedrohlichen militärischen Machtdemonstration konfrontiert wurden.
    Unmittelbar im Gefolge der päpstlichen Sänfte zogen die Söldner heran, die Liberius in Thrakien angeworben und auf seiner Galeere mit nach Italien gebracht hatte. Die etwa fünfzigköpfige Kriegerschar wurde von einem Häuptling auf einem feurigen, nervös tänzelnden Rapphengst angeführt. Der Reiter trug einen ledernen Kampfmantel, der auf der Brust mit Bronzeschuppen besetzt war; seinen mit demselben Metall beschlagenen Rundschild hatte er auf den Rücken geschnallt, und von der Spitze seines hohen, konisch geformten Helmes hing ein scharlachrot gefärbter Roßschweif herab. Bewaffnet war der thrakische Befehlshaber mit Krummschwert und Dolch, außerdem steckte in seinem Sattelfutteral eine schwere Streitaxt. Die in Sechserreihen marschierenden, mit Spangenhelmen, Kettenhemden sowie Arm- und Beinschienen gerüsteten Männer hingegen waren mit doppelt geschweiften Langbogen und prall gefüllten Pfeilköchern ausgerüstet; zusätzlich führten aber auch sie Kurzschwerter oder Kampfbeile mit sich.
    Die Erde schien unter dem Marschtritt der Thraker mit ihren groben, teilweise von Narben verunstalteten Gesichtern zu erzittern. Verschüchtert wich die Landbevölkerung am Straßenrand zurück; die vereinzelten Zurufe, die eben noch dem Papst gegolten hatten, verstummten. Sobald die Kriegsleute vorbei waren, atmeten die Menschen auf; wenig später begannen sie ungläubig untereinander zu tuscheln. Die Nachhut des Zuges löste diese Reaktion bei ihnen aus; der Troß, der aus gut einem Dutzend Ochsenfuhrwerken bestand. Auf ihnen türmte sich die Habe des aus der Verbannung heimkehrenden Kirchenfürsten: Möbel, Kleidertruhen, tragbare Altäre; dazu Kisten, Fässer, umfangreiche Segeltuchballen und anderes mehr. Weitere berittene Palastwächter und zu Fuß gehende Knechte aus dem Haushalt des Liberius flankierten die Wagen mit ihrer wertvollen Fracht; mit Peitschen und Knütteln verscheuchten sie die Vorwitzigen, die den Gespannen zu nahe kamen.
    Vor der südwestlichen Torbastion des Stadtteiles Trans Tiberim staute sich der Zug. Es dauerte geraume Zeit, bis die Prunksänfte des Papstes durch das Stadttor getragen werden konnte; drinnen wälzte sich die Prozession entlang einer fast schnurgeraden Straße in Richtung auf die Insula Tiberina. Dicht an dicht drängten sich die Bewohner des Viertels sowie zahlreiche römische Bürger, die über den Fluß gekommen waren, zu beiden Seiten des Weges und in den Einmündungen der angrenzenden Gassen. Doch falls Liberius Freudenkundgebungen anläßlich seines Einzugs in die Metropole erwartet hatte, so sah er sich getäuscht. Zumeist standen die Menschen schweigend da; kaum jemand jubelte, nur

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