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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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die verfluchte arianische Ketzerei, welche von Seiner Heiligkeit, Papst Liberius …«
    Er brach ab; erst jetzt hatte er Branwyn erkannt. Einen Moment stand er reglos und mit verzerrtem Gesicht da, dann ermannte er sich, schluckte krampfhaft und öffnete erneut den Mund.
    Die junge Frau indessen kam ihm zuvor. »Du hast nicht das mindeste Recht, mich zu verklagen!« herrschte sie ihn an. »Vielmehr müßtest du vor Gericht gestellt werden, weil du dich mir gegenüber eines schweren Verbrechens schuldig machtest und soeben im Begriff stehst, ein weiteres an den Menschen hier zu begehen!«
    In der Menge entstand Unruhe; Branwyn nutzte die Gelegenheit, um rasch die kurze Entfernung bis zu der Plattform zwischen den Säulen zurückzulegen und hinaufzusteigen. Als der Handelsherr unwillkürlich ein paar Schritte vor der gutaussehenden Frau mit dem rotblonden Haar zurückwich, trat tiefe, erwartungsvolle Stille auf dem Platz ein. Die Spannung wuchs, während Branwyn den Mann mit dem großen silbernen Kruzifix auf der Brust durch die Kraft ihres Blickes zu bannen schien; schließlich erklang aus der Menschenmenge die Aufforderung: »Sage uns, was du Paulinus Lupus vorwirfst!«
    »Ja, ihr sollt es erfahren!« Flüchtig nahm Branwyn wahr, wie Calpurnia, die sich ebenfalls einen Weg durch die Schaulustigen gebahnt hatte, ihr ermunternd zunickte; nun deutete die junge Frau auf den Händler und fuhr fort: »Dieser Heuchler, der euch so salbungsvolle Worte von Seelenheil und göttlicher Gnade einbläst, ist in Wahrheit alles andere als ein Christ! Zwar mag er getauft sein und trägt, wie ihr seht, ein protziges Kreuz um den Hals – doch die Barmherzigkeit, wie Jesus sie von denen einforderte, die ihm nachfolgen wollten, trat dieser Mann mit Füßen! Oder wie würdet ihr es sonst bezeichnen, wenn jemand einen schwerverletzten Menschen, der seiner Obhut anvertraut wurde, hilflos in der Wildnis zurückläßt?!«
    Ungläubiges Raunen wurde laut; mit einer Handbewegung brachte Branwyn die aufgestörte Menge wieder zum Schweigen. Dann berichtete sie in knappen, aber eindrucksvollen Sätzen, was sich im Herbst vor zwei Jahren in den Grajischen Alpen abgespielt hatte. Mit zunehmender Betroffenheit lauschten ihr die Umstehenden; als die junge Frau schilderte, mit welcher Herzlosigkeit Paulinus entschieden hatte, daß die Handelskarawane ohne sie weiterziehen würde, und wie sie sich in der darauffolgenden Nacht der Wölfe hatte erwehren müssen, schlug die allgemeine Stimmung in Empörung um. Fäuste hoben sich in Richtung des Händlers, drohende Rufe erklangen; gleich darauf jedoch kehrte erneut Stille ein, denn nun erzählte Branwyn von ihrer Rettung durch Haimo, den Jäger, und von Samira, die sich ihrer später angenommen und sie gesundgepflegt hatte.
    »Ihnen verdanke ich, daß ich hier vor euch stehen kann«, schloß die junge Frau. »Denn jene Menschen bewiesen Nächstenliebe, während dieser« – abermals wies ihr Finger anklagend auf Paulinus Lupus – »ohne Gewissensbisse meinen Tod in Kauf nahm, um nur ja keine Einbuße in seinem Handel zu erleiden. Unersättliche Gier nach Gold und Silber trieb ihn – und dieselbe verwerfliche Gewinnsucht bringt ihn nunmehr dazu, euch für teures Geld wertlose Holzsplitter andrehen zu wollen!«
    Ein Kotklumpen wurde gegen den Reliquienhändler geschleudert und zerplatzte hart neben seiner Schulter an einem der Säulenstümpfe. Doch Paulinus ließ sich dadurch nicht einschüchtern, vielmehr ging er jetzt zum Gegenangriff über. »Glaubt diesem Weib kein Wort!« brüllte er. »Hört nicht auf die Lügen einer verworfenen Heidin, deren einzige Absicht es ist, die christliche Religion in den Schmutz zu ziehen! Bei den Wundmalen Christi schwöre ich, daß ihr Gefahr lauft, einer britannischen Götzenanbeterin auf den Leim zu gehen – und wie sollte eine solche Ungetaufte, in deren Seele das Licht des einzig wahren Glaubens nicht leuchtet, den Wert der heiligen Schätze hier auf meinem Wagen beurteilen können?!«
    »Das ist richtig!« kam es von einem Mann aus der Menge, der wie Paulinus Lupus ein wertvolles Kruzifix auf der Brust trug; andere, die eben noch auf Branwyns Seite gestanden hatten, äußerten sich auf ähnliche Weise.
    Die junge Frau freilich gab sich keineswegs geschlagen. »Ja, ich bin Keltin und verehre die alten Götter!« rief sie mit blitzenden Augen. »Mehr noch: In meiner Heimat Cymru war ich Hüterin einer Quelle der Dreifachen Göttin; später, auf der Insel von

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