Die Bischöfin von Rom
Avalon im Süden Britanniens, lebte ich im wichtigsten Druidenhain dieses Landes. Doch sowohl in Cymru als auch in Avalon zählten Christen, die ehrwürdige Traditionen bewahrten, zu meinen Freunden. Von ihnen und sodann in der Gemeinde Sancta Maria hier in Rom lernte ich sehr viel über das Wesen sowie die Geschichte der christlichen Religion …«
»Dafür verbürge ich mich!« Calpurnias Zwischenruf klang kämpferisch. »Ich bin die Presbyterin von Sancta Maria, und ich denke, einige unter euch werden mich kennen!«
»Und weil mir die Geschichte des Christentums nicht unbekannt ist, bin ich imstande, zu beweisen, daß Paulinus einen Betrug an euch verübt!« fuhr Branwyn fort. Nachdem erwartungsvolles Schweigen eingetreten war, setzte sie hinzu: »Ihr müßt mir dazu nur die Frage beantworten, wer das Kreuz Jesu zur Regierungszeit Kaiser Konstantins in Jerusalem wiederauffand?«
Zunächst starrten die Umstehenden verdutzt, schließlich ließ sich eine ältere Marktfrau vernehmen: »Es war die Mutter des Imperators.«
»Du sagst es«, bestätigte Branwyn. »Helena, die Kaisermutter, so wurde es damals überall in den Kirchen des Patriarchats verkündet, entdeckte die Balken in einer Höhle unweit der Stelle, wo man Jesus gekreuzigt hatte. Sie brachte die Überreste des Kreuzes in ihren Palast nach Konstantinopel und hütete sie dort wie ihren Augapfel – jetzt allerdings, einundzwanzig Jahre nach ihrem Tod, vermachte sie die Kreuzbalken auf wundersame Weise dem Marktschreier Paulinus …«
Es dauerte einen Moment, bis die Bürger, die sich um die Steinplattform drängten, begriffen. Dann brachen die ersten in lautes Gelächter aus, ihre Nachbarn fielen ein; gleich darauf brandete dem Reliquienhändler allgemeines Hohn- und Wutgeschrei entgegen. Weil er seine Felle davonschwimmen sah, schickte er sich an, sang- und klanglos zu verschwinden. Ehe es ihm jedoch gelang, hielt ihn ein muskulöser Lastträger mit derbem Griff zurück. Anschließend brachte derselbe Mann die Menge durch laute Zurufe zur Ruhe und wollte von Branwyn wissen: »Kannst uns vielleicht noch erklären, wie der Lump zu dem offenbar sehr alten Stück Zedernholz kam, das er hier auf seinem Verkaufskarren ausgestellt hat und von dem auch die Splitter in den Glasbehältern daneben stammen?«
»Zumindest habe ich einen Verdacht, denn ich weiß, welcher Natur die Gebeine vorgeblicher Märtyrer und Heiliger sind, mit denen Paulinus Lupus ebenfalls seine kriminellen Profite zu machen pflegt«, erwiderte die junge Frau.
Sodann berichtete sie, was sie während ihrer Reise mit der Karawane des Handelsherrn in der Flußebene östlich des gallischen Militärlagers Divio erlebt hatte. Sie erzählte, wie die nur notdürftig verscharrten Skelette dreier, wahrscheinlich von Franken ermordeter Erwachsener und eines hingeschlachteten Kindes entdeckt worden waren – und wie Paulinus unter dem Vorwand, die Gebeine mit Erde bedecken zu wollen, heimlich einige der Knochen zu sich gesteckt hatte. »Auf ähnliche Weise«, fügte sie hinzu, »wird vermutlich das Zedernholz in seinen Besitz gelangt sein. Ich nehme an, das Balkenstück lag irgendwo im Schutt einer Ruine, bis der Betrüger es ausgrub und beschloß, sein gotteslästerliches Spiel damit zu treiben.«
Kaum hatte Branwyn geendet, kannten die Umstehenden kein Halten mehr. »Bastard!« – »Schurke!« – »Hundsfott!« erklang es von allen Seiten, während der Lastträger den Reliquienhändler mit Maulschellen bedachte. Zuletzt riß Paulinus Lupus sich los und rannte, wobei er weitere Schläge einstecken mußte, davon. Seine Knechte, welche den Karren bewacht hatten und unter denen sich keiner befand, den Branwyn von früher kannte, folgten ihm. Sie flüchteten gerade noch rechtzeitig, ehe ein Teil der aufgebrachten Menge den Wagen umstürzte, die gläsernen Behältnisse mit den falschen Kreuzsplittern zerschlug und das ominöse Balkenfragment in die Gosse warf.
Andere Frauen und Männer umringten Branwyn, schüttelten ihr die Hände, klopften ihr auf die Schulter und bedankten sich überschwenglich für ihr Eingreifen, durch das vielen ein empfindlicher finanzieller Verlust erspart worden war. Die Marktfrau, die über die Kreuzauffindung durch die Kaisermutter Helena Bescheid gewußt hatte, umarmte sie und beteuerte begeistert: »Gleichgültig ob du nun getauft bist oder nicht – du hast eine ähnliche bemerkenswerte Tat vollbracht wie Jesus Christus im Tempel von Jerusalem! Denn er vertrieb
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