Die Bischöfin von Rom
hintergehe«, schmunzelte Branwyn.
»Wenn es sich so verhält, ist ja alles in Ordnung!« entfuhr es Calpurnia.
»Eine dermaßen unmoralische Einstellung hätte ich von dir zuallerletzt erwartet!« tadelte Branwyn mit gespielter Empörung.
»Nein, du hast mich falsch verstanden!« verteidigte sich die Presbyterin – mit dem nächsten Lidschlag gewahrte sie das verräterische Zucken um die Lippen der Jüngeren, und im selben Moment brachen beide Frauen in Lachen aus.
Als sie danach ihr Gespräch fortsetzten, gab Branwyn zu: »Was den Vorschlag angeht, den du mir vorhin machtest, wäre ich in der Tat froh, wenn ich einmal ausspannen könnte, und natürlich wäre es schön, ein paar Ausflüge mit Angela zu unternehmen. Aber kommst du denn wirklich allein zurecht?«
»Mach dir keine Sorgen um mich«, entgegnete Calpurnia. »Ich bin wieder auf dem Damm, und ich verspreche dir auch, mich nicht zu übernehmen.«
»Na gut«, entschied Branwyn. »Bis zum kommenden Sonntag ist ohnehin nicht allzuviel zu tun, so daß mir vier freie Tage bleiben. Für den Feiertag jedoch hat sich die Abordnung von Sancta Praxedis angesagt, die unser Waisenhaus besichtigen möchte, und von da an stehe ich dir auf jeden Fall wieder zur Verfügung.«
»Darum wollte ich dich gerade bitten«, erwiderte die Presbyterin. »Und zwar nicht nur, weil du derzeit besser als ich auf dem laufenden bist, was das Heim angeht, sondern auch, weil ich dich der Delegation vom Esquilin gerne als meine wertvollste Mitarbeiterin vorstellen möchte …«
Branwyn setzte zu einem Einwand an, aber eine Geste Calpurnias veranlaßte sie, zu schweigen. Verwirrt blickte sie auf die Freundin und sah den tiefen Ernst, der plötzlich in deren Augen stand; gleich darauf fügte die betagte Presbyterin langsam hinzu: »Als meine wertvollste Mitarbeiterin – und, möglicherweise, meine Nachfolgerin im Priesteramt von Sancta Maria …«
»Nein!« Jetzt vermochte Branwyn sich beim besten Willen nicht mehr zurückzuhalten. »Bitte, Calpurnia, du solltest nicht …!«
»Wir müssen darüber sprechen!« Die Antwort kam leise, aber entschieden. »Denn wir beide wissen, daß sich die Frage meiner Nachfolge schon sehr bald stellen könnte, und deshalb ist es erforderlich, rechtzeitig alles Nötige in die Wege zu leiten.«
»Du warst lange krank«, entgegnete Branwyn. »Das ist der Grund, warum du dir Gedanken über … über deinen Tod machst. Doch du wirst dein Amt noch viele Jahre ausüben können! Kurz vor Ostern hast du gerade erst deinen siebenundsechzigsten Geburtstag gefeiert, und ich kenne zahlreiche Frauen, die ein oder sogar zwei Jahrzehnte älter als du sind!«
»Ich kannte andere, welche dieses Alter bei weitem nicht erreichten«, hielt Calpurnia dagegen. »Glaube mir, ich habe keineswegs die Absicht, dir einen Schrecken einzujagen, und ich würde gerne noch eine Weile leben. Aber den Tag und die Stunde weiß allein Gott, und ich möchte nicht vor sein Angesicht treten, ohne mein Haus hier auf Erden bestellt zu haben.«
Sie beugte sich vor und griff nach der Hand ihrer Freundin. »Das Haus, das ich meine, ist die Gemeinde von Sancta Maria. Ich darf die Menschen, die ihr angehören, nicht im Stich lassen. Sie werden auch nach meinem Tod eine gute Seelsorgerin nötig haben – oder bist du anderer Meinung?«
»Du hast recht«, gab Branwyn mit belegter Stimme zu.
»Ich wußte, daß du mich verstehen würdest!« Calpurnia lehnte sich wieder zurück und fuhr fort: »Seit mehr als zwei Jahren leben wir nun schon gemeinsam unter einem Dach. Gleich als du damals an jenem Frühlingsabend mit Angela ankamst, spürte ich deine besondere Ausstrahlung: deine Herzensgüte und innere Stärke. Du erzähltest von deinen Erlebnissen in Britannien; erklärtest, warum du ungeachtet aller Gefahren nach Rom gereist warst, und ich begriff: Eine höhere Macht hatte dich zu uns geführt. Spät in der Nacht sodann sprachen wir unter vier Augen miteinander. Du konntest nicht schlafen, weil draußen die Frachtwagen rollten, und empfandest Angst vor der Zukunft; deshalb vertraute ich dir an, mit welchen Schwierigkeiten ich kämpfen mußte, als ich mich, ungefähr in deinem Alter stehend, um das Priesteramt in Sancta Maria bewarb. Ebenso erfuhrst du, gegen welche Widerstände ich mich auch nach meiner Wahl zur Presbyterin noch durchzusetzen hatte – und vielleicht erinnerst du dich an das, was du anschließend zu mir sagtest?«
Branwyn überlegte, dann antwortete sie: »Meine Worte
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