Die Bischöfin von Rom
fünfzehnjähriges Mädchen. Schließlich wandte sie sich ihrer Freundin zu, schenkte ihr ein warmes Lächeln und fragte leise: »Bist du bereit, deine Treue zu den keltischen Göttern mit der Nachfolge Jesu zu verknüpfen?«
»Aus ganzem Herzen!« antwortete Branwyn.
Im nächsten Moment war das Rauschen und Saugen des Stromes um sie, aber gleichzeitig waren da die Hände Calpurnias, die sie dreimal hielten und behüteten.
Und dann, als sie zum drittenmal wieder auftauchte, vernahm sie die Worte der Presbyterin: »Gleich einem Geschenk Gottes bist du in die Gemeinde Sancta Maria gekommen, deshalb soll dein christlicher Beiname Theodora lauten, das griechische Wort für Gottesgeschenk.«
Die Getaufte, die sich hinsichtlich der Namenswahl nicht mit Calpurnia abgesprochen hatte, war zutiefst gerührt und fühlte sich beinahe beschämt. Das habe ich nicht verdient, dachte sie, während sie mit den anderen zurück zum Ufer watete.
Gleich darauf jedoch begriff sie, daß die dort wartenden Gemeindemitglieder anderer Meinung waren, denn es schlug ihr einhelliger Jubel entgegen. Wiederum einen Augenblick später war Angela bei ihr, umarmte sie überschwenglich und löste die innere Spannung ihrer Freundin, indem sie in ihrer unnachahmlichen Art verkündete: »Großmutter und du – ihr heckt ja tolle Sachen aus! Soll ich dich etwa von jetzt an Gottesgeschenk rufen, oder wie?«
»Untersteh dich!« lachte Branwyn, und als Angela, die Eltern des Mädchens, Calpurnia sowie weitere Umstehende einstimmten, fühlte sie sich in der Gemeinschaft dieser Menschen geborgen wie nie zuvor.
Die Priesterweihe
Sowohl für Branwyn, die zumeist weiterhin so genannt wurde, als auch für Calpurnia war das Tauferlebnis ein Höhepunkt ihrer Freundschaft gewesen – doch die Presbyterin hatte gesundheitlich dafür zu bezahlen. Aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters war ihr das Stehen im Tiberwasser während der Zeremonie nicht gut bekommen. Einen Tag später begann sie zu husten, rasch entwickelte sich daraus eine schwere Bronchitis. Ähnlich wie bereits im Spätwinter 358 mußte die betagte Frau das Bett hüten; nachts, wenn die Hustenanfälle besonders arg wurden, litt sie zusätzlich unter stechenden Schmerzen in der Herzgegend.
Branwyn, die mittlerweile siebzehnjährige Angela und deren Mutter Camilla lösten sich bei der Pflege ab; für Branwyn bedeutete die Krankheit Calpurnias außerdem, daß sie eine Menge Mehrarbeit in der Kirchengemeinde zu leisten hatte. Wochenlang eilte sie zwischen Schule, Waisenheim, Hospital und Atriumhaus hin und her; fiel sie irgendwann erschöpft auf ihr Lager, blieben ihr im Regelfall nur wenige Stunden Schlaf, ehe ihre vielfältigen Pflichten sie von neuem forderten. Aber trotz der harten Belastung beklagte sie sich nicht; das Gefühl, gebraucht zu werden und für andere da sein zu können, schenkte ihr immer wieder neue Kraft. Die Gemeindemitglieder wiederum, die wie nie zuvor spürten, was sie an der Hausgenossin ihrer erkrankten Presbyterin hatten, dankten es ihr durch vermehrte Zuwendung – so zum Beispiel am zweiten Sonntag nach dem Osterfest, als es in Sancta Maria zu einer spontanen Sympathiekundgebung kam.
In der Woche zuvor war der Gottesdienst ausgefallen, weil Calpurnia nicht am Altar stehen konnte; die Gläubigen hatten sich mit einer einfachen Andacht zufriedengeben müssen. Auch heute wieder schien es, als würde es beim gemeinsamen Gebet bleiben. So jedenfalls dachte Branwyn, während sie, vom Hospital kommend, die schon volle Kirche betrat und in einer der hinteren Bänke Platz nahm. Kaum jedoch saß sie, ging ein Raunen durch die Gemeinde. Zahlreiche Blicke wandten sich ihr zu; gleich darauf erhob sich eine der Handwerkerfrauen, die im Sommer des vergangenen Jahres die Kunde vom bevorstehenden Papsteinzug zu Calpurnia und Branwyn gebracht hatten, und sagte mit lauter Stimme: »Ich schlage vor, daß unsere Schwester Theodora die Andacht leiten soll.«
Branwyn brauchte einen Moment, bis sie begriff; nur selten war sie seit der Taufe mit ihrem neuen Beinamen angesprochen worden. Dann freilich wehrte sie beinahe erschrocken ab: »Ich bin doch keine Priesterin!«
»Du bist die Freundin und Vertraute Calpurnias, und wir alle haben dich von Herzen gern!« erwiderte ein älterer Mann, der neben ihr saß. »Ich vermute, das genügt in den Augen Gottes.«
Viele andere stimmten ihm zu; am Ende blieb Branwyn nichts übrig, als sich dem Ansinnen der Gemeindemitglieder zu fügen und sich nach
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