Die Bischöfin von Rom
organisieren«, rief die Handwerkerfrau, welche Branwyn gebeten hatte, die Andacht zu leiten. »Ich bin gerne bereit, von Haus zu Haus zu gehen, und dir, Severina« – sie stieß ihre beleibte Banknachbarin an – »würde ein wenig Bewegung auch nicht schaden.«
Die Angesprochene machte gute Miene zum bösen Spiel und erklärte, sich an der Sammelaktion beteiligen zu wollen; dasselbe galt für mehrere andere, so daß sich rasch eine ausreichend große Gruppe zusammenfand. Während diese Gemeindemitglieder sich in eine Ecke des Kirchenraumes zurückzogen, um die anstehenden Aufgaben untereinander zu verteilen, berieten an die zehn Frauen, die sich jetzt um Branwyn geschart hatten, wie das Problem mit den Bettlaken für das Hospital zu lösen sei. Man kam überein, die Tücher in Gemeinschaftsarbeit zu weben; wenn jede der Beteiligten täglich nur eine Stunde opferte, würde der Webstuhl, den eine Witwe zur Verfügung stellen wollte, von früh bis spät in Betrieb und die Arbeit schnell erledigt sein. Das Garn, das man benötigte, sollte durch eine Spende der Kirchengemeinde aufgebracht werden, und sobald die Laken fertig wären, würden alle zusammen sie nähen und säumen.
Angesichts dieser karitativen Begeisterung der Gläubigen endete die Sonntagsandacht wenig feierlich. Niemand jedoch störte sich daran; vielmehr verabschiedeten die Teilnehmer sich zuletzt mit dem Gefühl voneinander, einen ungewöhnlich bereichernden Vormittag erlebt zu haben. Auch Branwyn empfand so; sie durfte sich sagen, daß der von ihr improvisierte Gottesdienst, bei dessen Gestaltung sie sich ganz einfach von ihrem Herzen hatte leiten lassen, schöne Früchte getragen hatte. Sie freute sich über das, was sie für die Bedürftigen erreicht hatte; dann freilich, als sie unter der Kirchentür stand und ihr Blick auf das Atriumhaus gegenüber fiel, kehrte ihre Sorge um Calpurnia zurück.
***
Trotz der hingebungsvollen Pflege, die ihr zuteil wurde, dauerte es noch Wochen, ehe die betagte Presbyterin ihre schwere Bronchitis überwand. Erst Ende Mai trat allmählich eine Besserung ein; Mitte Juni schließlich hatte Calpurnia sich soweit erholt, daß sie daran denken konnte, ihre Pflichten in der Gemeinde Sancta Maria wiederaufzunehmen.
Die ganze Zeit über hatte die Verantwortung für den Kirchensprengel vor allem auf Branwyns Schultern gelegen. Oft war sie bis an die Grenzen ihrer Kraft gefordert worden, aber nie hatte sie sich beklagt und sich Tag und Nacht bemüht, sowohl für ihre leidende Freundin als auch für die Menschen in Trans Tiberim da zu sein. Auf diese Weise war die Kirchengemeinde mehr denn je zu einem Teil ihrer selbst geworden, und an einem der lauen Juniabende, als sie zusammen mit Calpurnia im Innenhof des Atriumhauses saß, sprach diese sie darauf an.
»Wir alle haben dir außerordentlich viel zu verdanken«, erklärte die Presbyterin. »Ohne dich hätte das Miteinander in Sancta Maria während der langen Zeit meiner Krankheit Schaden genommen. Doch weil du die Dinge in die Hand nahmst, steht die Gemeinde heute blühender da denn je – und du wurdest, wie ich von verschiedensten Seiten höre, zum Angelpunkt des kirchlichen Lebens in Trans Tiberim.«
»Aber das war nie meine Absicht«, verwahrte sich Branwyn. »Ich wollte mich bestimmt nicht in den Vordergrund drängen …«
»Das weiß ich«, unterbrach Calpurnia. »Dennoch verhält es sich so, wie ich sagte: Du bist wahrhaftig und noch mehr als früher zu Theodora, zum Geschenk Gottes, für unseren Kirchensprengel geworden.«
Branwyn senkte die Lider; das Lob aus dem Mund der alten Priesterin, die in ihrem langen Leben ungleich mehr als sie selbst geleistet hatte, machte sie verlegen.
Calpurnia spürte, was in ihrer Freundin vorging, und wechselte das Thema: »Jetzt, wo ich wieder gesund bin, solltest du dich einmal ein paar Tage erholen. Angela würde sich bestimmt über die eine oder andere Wanderung mit dir ins Grüne freuen; vielleicht vergißt sie dann auch ihren Liebeskummer …«
»Sie hat es dir also gebeichtet?« erkundigte sich Branwyn lächelnd.
»Dafür sind Großmütter doch da«, entgegnete Calpurnia. »Vorgestern vertraute sie mir an, daß sie sich unsterblich in einen jungen Mann verliebt habe, der aber leider bereits in festen Händen sei.«
»Und mir gestand sie heute morgen, sie werde dem Kerl ganz bestimmt nicht länger nachtrauern, denn sie habe herausgefunden, daß er seine Freundin mit einer anderen aus dem Capitolviertel
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