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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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lauteten: Du hast den Weg für die Frauen bereitet, die nach dir kommen werden.«
    Calpurnia nickte. »Und ich erwiderte, daß eine ähnliche Aufgabe – weibliches Denken und Handeln wieder vermehrt in einer zunehmend von Männern beherrschten Welt einzuwurzeln – dir übertragen worden sei. Weiter bat ich dich, keine Furcht zu haben, dein Los hier in Rom auf dich zu nehmen und deine große innere Kraft einzusetzen, um deine Bestimmung zu erfüllen …«
    Die Presbyterin wartete ab, ob Branwyn etwas entgegnen würde; als es nicht geschah, sprach sie weiter: »Deine Bestimmung aber, ich bin mir völlig sicher, ist meine Nachfolge. Denn niemand in unserer Gemeinde wäre dazu besser geeignet als du. Wieder und wieder hast du es während der vergangenen Jahre bewiesen, und in den langen Wochen meiner Krankheit hast du den Kirchensprengel praktisch geleitet. Die Menschen in Trans Tiberim wiederum nahmen dich, da du ihre Herzen ohnehin längst gewonnen hattest, ohne Vorbehalte an. Mehr noch: Sie sind begeistert von dir. Wie sonst hätte es geschehen können, daß sie dich Sonntag für Sonntag von neuem baten, am Altar zu stehen, und was ihren karitativen Eifer angeht, so weißt du selbst am besten, wieviel du erreicht hast. All dies zusammengenommen, beweist mir: Du bist die Frau, die mein Werk fortführen sollte! Dir ist es vor allen anderen gegeben, den weiblichen Geist, den ich in Sancta Maria begründete, zu bewahren und ihn gegen den Feind zu verteidigen, der nach seiner Vernichtung trachtet …«
    »Das Patriarchat!« stieß Branwyn hervor.
    »Liberius!« bestätigte Calpurnia. »Er würde alles daransetzen, um – ähnlich wie in Sancta Magdalena – einen Mann seiner Wahl als Vorsteher unseres Kirchensprengels zu etablieren, wenn er eine Chance dazu sähe! Und auch dies ist einer der Gründe, warum ich über meine Nachfolge mit dir spreche. Ich möchte dem Patriarchat keine Gelegenheit geben, seine böse Macht auf Trans Tiberim auszuweiten. Das freilich läßt sich nur verhindern, wenn die Wahl einer neuen Presbyterin nach meinem Tod sehr schnell und möglichst einmütig erfolgt.«
    Branwyn schien mit sich zu ringen, endlich stellte sie in gepreßtem Tonfall fest: »Das heißt, mir bleibt gar keine Alternative …«
    »Doch!« widersprach Calpurnia. »Zwar wünsche ich mir von ganzem Herzen, dir die Priesterweihe spenden zu dürfen und dich der Gemeinde damit als diejenige zu empfehlen, die mein Lebenswerk fortsetzen soll. Aber die Entscheidung liegt letztlich allein bei dir, denn Priestertum verlangt freiwillige Hingabe. Nur unter dieser Voraussetzung dürfte ich dir die Hand auflegen, und aus diesem Grund sagte ich vorhin auch, du könntest möglicherweise – falls du es nämlich selbst ohne Einschränkung möchtest – dereinst meine Nachfolgerin werden.«
    »Dereinst – das kann noch in weiter Ferne liegen«, kam es von Branwyn.
    »Oder auch ein wenig näher …« Die Presbyterin lächelte versonnen. »Doch wie auch immer, du hast bestimmt ausreichend Bedenkzeit.«
    Branwyn atmete auf. »Und gegenüber der Abordnung von Sancta Praxedis wirst du über deine Absichten schweigen!«
    »Ich werde dich lediglich als meine wertvollste Mitarbeiterin vorstellen«, versicherte Calpurnia.
    »Lieber wäre es mir, du würdest denen, die mich bisher nicht kennen, schlicht meinen Namen nennen«, seufzte Branwyn.
    »Unmöglich!« versetzte die Presbyterin schmunzelnd. »In den Evangelien steht schließlich geschrieben, wir sollen unser Licht nicht unter den Scheffel stellen!«
    Branwyn war versucht, mit dem christlichen Ideal der Bescheidenheit zu kontern, aber ehe sie dazu kam, äußerte Calpurnia: »So, und jetzt genug von diesen Dingen! Laß uns ins Haus gehen und sehen, wo Angela steckt. Vielleicht könnt ihr ja gleich heute abend noch einen Ausflug für morgen verabreden …«
    ***
    Während der folgenden vier Tage unternahmen Branwyn und die Enkelin Calpurnias mehrere ausgedehnte Wanderungen durch das Hügelland westlich von Rom. Die Aufenthalte in der Natur taten Branwyn gut; sie spürte, wie ihre Spannkraft nach den harten Anforderungen der letzten Monate zurückkehrte. Angela wiederum fand Gelegenheit, sich mit ihrer Freundin über gewisse junge Männer auszutauschen und auf diese Weise ihren Liebeskummer endgültig zu überwinden.
    Einmal, am letzten Tag ihrer kurzen Ferien, brachte Branwyn das Gespräch auf ihr eigenes Problem und erzählte Angela – allerdings unter dem Siegel der

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