Die Bischöfin von Rom
dem Krankenhaus in Trans Tiberim auszuhelfen. Anschließend diskutierte sie mit der älteren Frau die Möglichkeiten, künftig derartige Finanzierungsschwierigkeiten zu vermeiden, und es wurde beinahe Mitternacht, ehe eine Lösung gefunden war.
Müde und abgespannt trat Branwyn den Heimweg an. Die Straßen waren zu dieser späten Stunde wie ausgestorben; der böige Wind trieb regenschwangere Wolken vom Meer heran, dann und wann fegte ein kurzer Schauer nieder. Branwyn sehnte sich nach ihrem behaglichen Zimmer im Atriumhaus; als sie die hochaufragende Umfassungsmauer an der Nordwestflanke des Circus Maximus passierte, sagte sie sich, daß sie die halbe Wegstrecke bereits geschafft hatte. Höchstens eine dreiviertel Meile noch, dachte sie – unmittelbar nachdem ihr diese Überlegung durch den Kopf gegangen war, schien ihr Herzschlag auszusetzen.
Urplötzlich ertönte ein scharfer Pfiff, im nächsten Moment sah sie sich von mehreren Männern umringt. Die vermummten Kerle mußten ihr im Schutz der Dunkelheit unbemerkt gefolgt sein; jetzt sprang der vorderste sie an und packte ihre Arme. Fast gleichzeitig preßte ihr ein anderer, der von hinten kam, die Hand auf den Mund und erstickte so den Hilferuf, den sie noch auszustoßen versuchte. Wiederum einen Augenblick später – sie lag jetzt auf dem Straßenpflaster – spürte sie, wie ihr ein Knebel zwischen die Zähne gepreßt wurde. Während sie verzweifelt nach Luft rang, fesselten sie die Wegelagerer, hüllten sie in eine rauhe Decke und trugen sie im Laufschritt weg.
Irgendwann vernahm Branwyn, die mit aller Kraft gegen ihre Panik ankämpfte, einen unterdrückten Ruf. Sofort danach machte sie das Knarren von Torflügeln aus – in einem Hofraum dahinter hievte man sie offenbar auf ein Gefährt. Pferdehufe stampften, abrupt rollte der Wagen los; die Fahrt dauerte lange und führte zweifellos weit über das Stadtviertel hinaus, wo die Entführung passiert war. Endlich kam das Fahrzeug, wohl in einem zweiten Innenhof, zum Stehen; erneut wurde Branwyn unsanft hochgehoben und abermals eine Strecke geschleppt. Nach einigen Dutzend Schritten war es ihr, als würde die Luft schlagartig kälter. Die Männer schienen sie jetzt lange, enge Gänge entlangzutragen und dabei immer tiefer in die Erde einzudringen.
Zuletzt klirrte ein Eisenriegel, Türangeln kreischten; die Gefangene spürte, wie sie durch eine schmale Pforte gebracht wurde. Drinnen stieß man sie zu Boden, sie landete auf einem Strohhaufen; gleich darauf zerrte einer der Kerle die um ihren Körper gewickelte Decke weg. Mit weit aufgerissenen Augen starrte Branwyn in flackerndes Fackellicht; mit dem nächsten Lidschlag begriff sie, an welch schaurigem Ort sie sich befand: in einem höhlenartigen Kerker.
Kaum war ihr dies bewußt geworden, erkannte sie auch, wer die Männer mit den Feuerbränden waren, die sie entführt hatten. Es handelte sich um thrakische Söldner; ihre brutalen, teilweise von Narben verunstalteten Gesichter, die Kettenhemden sowie die in ihren Gürteln steckenden Nahkampfwaffen ließen keinen Zweifel daran, daß sie zu den Kriegsknechten des Papstes gehörten.
Nun nahm einer der Thraker ihr die Fesseln ab; kaum waren die Stricke entfernt, griffen zwei andere Söldner zu. Sie schlossen Metallschellen um die Handgelenke Branwyns und ketteten sie, mit weit ausgebreiteten Armen an die Kerkerwand. Hilflos kauerte sie danach auf der Strohschütte; jetzt löste der älteste der Kriegsknechte, vermutlich der Anführer, ihren Knebel und herrschte sie in höhnischem Tonfall an: »Wenn du schreien willst, nur zu! Niemand wird dich hier unten hören, selbst wenn du dir die Lunge aus dem Leib plärrst!«
»Wo bin ich?!« stieß Branwyn hervor.
»In den Verliesen des Lateran, du gottverdammte Ketzerin!« lautete die Antwort. »Und du kannst Gift darauf nehmen, daß du diesen Kerker nicht mehr lebend verlassen wirst!«
Damit wandte der Thraker sich ab und ging zu der niedrigen Pforte. Die übrigen folgten ihm; bevor der letzte Mann nach draußen verschwand, steckte er seine Pechkerze in einen Eisenring neben der Türöffnung. Knarrend schloß sich die Balkenpforte, mit hartem Geräusch rastete der Riegel ein. Dann, eine Weile nachdem die Schrittgeräusche der Söldner verklungen waren, vernahm Branwyn plötzlich einen anderen, leiseren Laut – und sah im Fackelschein eine Ratte huschen.
***
Stunden verstrichen; wenn die Nager, von denen sich bald weitere aus ihren Verstecken gewagt hatten, ihr
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