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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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zu nahe kamen, trat Branwyn mit den Füßen nach ihnen. Hatten sich die Pelztiere vorübergehend zurückgezogen, irrte der Blick der Angeketteten verzweifelt über die Wände der Kerkerhöhle. Manchmal, wenn ihre Panik neuerlich übermächtig zu werden drohte, schien das nackte, von zackigen Rissen durchzogene Gestein lautlos näherzurücken. Jedes Mal saugten sich Branwyns Augen dann an einer bestimmten Stelle fest: einer handbreiten Felsspalte in der Wand zu ihrer Rechten, durch die ein feuchtkalter Hauch in das Verlies wehte. Selbst als der Stumpf der niedergebrannten Pechkerze sich aus dem Metallring löste, zu Boden fiel und erlosch, blieb der Gefangenen jener irrationale Halt, der von dem Luftzug ausging; zumindest diese Verbindung zur Welt außerhalb ihres Kerkers war ihr geblieben.
    Ansonsten aber gab es jetzt nur noch undurchdringliche Dunkelheit um Branwyn; furchteinflößende Finsternis und schier endlos sich dehnende Zeit. Die Lider der Angeketteten wurden immer schwerer, dann und wann übermannte sie die Erschöpfung, und sie sank trotz ihrer Angst kurz in Schlaf. Doch stets schreckte sie schon nach wenigen Minuten wieder hoch; die Ratten waren schuld: die großen, langschwänzigen Nager, die von Mal zu Mal aufdringlicher wurden.
    Nach einer Ewigkeit schließlich glaubte Branwyn Laute von draußen zu vernehmen. Sie richtete sich auf und lauschte angespannt in Richtung der Kerkerpforte. Tatsächlich wurden die Geräusche deutlicher, etwas polterte gegen die Türbalken; im nächsten Moment ächzten die Angeln, und einen Herzschlag später fiel Fackellicht ins Verließ. Gebückt kam ein muskulöser Mann in ärmellosem Lederkoller herein, der einen Tonkrug und einen Brotkanten bei sich trug. Ohne die Gefangene eines Wortes zu würdigen, stellte er beides in ihrer Reichweite ab, warf einen argwöhnischen Blick auf die Kettenschlösser und verschwand wieder.
    Nachdem sie ihren Schock über das unvermutete Auftauchen des Büttels überwunden hatte, tastete Branwyn mühsam nach dem Wassergefäß und trank in langen Zügen. Danach zwang sie sich, das Brot, das angeschimmelt schmeckte, zu verzehren. Dabei wurde ihr bewußt, daß man offenbar nicht plante, sie einfach verhungern zu lassen. Das Patriarchat, das ihre Entführung wahrscheinlich ins Werk gesetzt hatte, um die nichtkatholischen Gemeinden Roms ihres Hauptes zu berauben, mußte noch irgend etwas mit ihr vorhaben, ehe man sie endgültig beseitigte. Im Verlauf der vielen Stunden, die sie abermals in der Dunkelheit ausharrte, zermarterte sie sich den Kopf darüber, was ihre Feinde bezwecken könnten. Freilich fand sie keine befriedigende Antwort, und dies änderte sich auch später nicht: während all der Tage, in denen das Erscheinen des schweigenden Gefangenenwärters ihre einzige Abwechslung blieb.
    Zuletzt indessen – Branwyn schätzte die Zeit, die seit dem Überfall auf sie vergangen war, auf ungefähr eine Woche – löste sich das Rätsel. Wie üblich hatte der Büttel ihr den Brotkanten zugeworfen und den leeren Wasserkrug gegen einen vollen ausgetauscht, um die Angekettete sodann einmal mehr in der undurchdringlichen Finsternis zurückzulassen. Diesmal jedoch verstrichen keine vierundzwanzig Stunden, ehe draußen vor der Kerkertür neuerlich Schritte zu hören waren; es geschah vielmehr in dem Moment, da Branwyn das letzte Stück Brot hinunterwürgte. Kaum drangen die Geräusche an ihr Ohr, prickelte angstvolle Erregung durch ihre Adern; ihr Instinkt sagte ihr, daß sich jemand näherte, der ungleich gefährlicher war als der Gefangenenwärter.
    Gleich darauf bestätigte sich ihre Vorahnung auf die denkbar schlimmste Weise. Denn in der Öffnung der Kerkerpforte tauchte die Gestalt eines Mannes auf, den sie, weil er sie auf so ungemein skrupellose Weise hintergangen hatte, zutiefst verabscheute – und unwillkürlich keuchte Branwyn seinen Namen: »Acacius!«
    »Du hast mich also nicht vergessen, mein Täubchen …« Mit niederträchtigem Grinsen trat der Notarius näher, beleuchtete sie mit der Pechkerze, die er in der Hand trug, und weidete sich sichtlich an ihrer Erniedrigung.
    Branwyn biß die Zähne zusammen; einige Sekunden lang ertrug sie die Demütigung, dann stieß sie wütend hervor: »Was willst du von mir?«
    »Nun, es macht mir ganz einfach außerordentliche Freude, dich zu betrachten«, erwiderte er feixend. »Dich, die du bis vor kurzem noch die ach so beliebte Bischöfin Theodora gewesen bist …«
    »Und weil die Menschen

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