Die Bischöfin von Rom
suchtest nach mir?« Der Barde war stehengeblieben und forschte in ihrem Antlitz.
Branwyn schenkte ihm ein zärtliches Lächeln, dann bekannte sie leise: »Etwas von dir war stets bei mir, seit wir uns in der Nacht unseres Abschieds so nahe wie nie kamen … Es blieb bewahrt, all die Jahre hindurch, und als das Schiff mich heim nach Britannien trug, fühlte ich es stärker denn je … So, als sei etwas in meinem Innersten zur Reife gelangt …«
Sie tastete nach seiner Hand, langsam gingen sie weiter. Während sie das letzte Wegstück zurücklegten, erzählte Branwyn ihm, wie sie vergeblich gehofft hatte, ihn in Tintagel zu treffen; wie sie dann aber auf der Ynys Avallach von seinem mutmaßlichen Aufenthaltsort erfahren hatte und schon bald darauf erneut aufgebrochen war, um auf die Ynys Vytrin zu kommen.
Wenig später, beide schwiegen jetzt wieder versonnen, erreichten sie den Rand der Talmulde auf halber Höhe der Insel, wo einst das Dorf gestanden hatte. Abermals hielten sie inne; Branwyn spähte zu einer Stelle, wo sich der Nebel soeben zu lichten schien. Doch ehe sie Einzelheiten auszumachen vermochte, wandte Eolo sich ihr zu, nahm ihr Gesicht in beide Hände und stellte ihr die überflüssigste Frage der Welt: »Willst du nun bei mir bleiben … für den Rest unseres Lebens?«
Mit einem sehr langen Kuß gab sie ihm die Antwort; nachdem sie wieder klar denken konnte, wußte sie unverbrüchlich: Sie würden ein erfülltes Leben miteinander haben! Er war nicht älter als vierzig, sie gerade erst zweiunddreißig; selbst Kinder könnte die Göttin ihnen schenken …
Eben als sie dies dachte, hörte sie ihn flüstern: »Komm!«
Eng umschlungen taten sie ein paar Schritte; mit einem Mal rissen die Nebelschwaden auf, und Sonnenlicht überflutete den Talboden. Branwyn sah die Ansiedlung vor sich, welche der Mann, den sie liebte, wiederaufgebaut hatte: er und die Familien, die zusammen mit ihm von Môn Mam Cymru gekommen waren. Das Inseldorf wirkte ebenso friedlich wie jenes andere, in dem sie aufgewachsen war – aber noch, obwohl ihr Herz weit wurde, wollte Branwyn es nicht betreten.
Vielmehr raunte sie Eolo zu: »Laß uns zuerst zur Heiligen Quelle gehen, um Ceridwen für alles zu danken – und dann sollst du mich heim in unser Rundhaus bringen …«
Nachwort
Die Hauptfigur dieses Romans ist nicht erfunden. Vielmehr wirkte in der frühchristlichen Epoche tatsächlich eine Bischöfin Theodora in Rom – und der Beweis dafür hat sich bis in die Gegenwart erhalten. Es handelt sich um ein Mosaik in der römischen Basilika Santa Prassede (lat.: Sancta Praxedis), das in seinem Ursprung mutmaßlich auf das 4. Jahrhundert zurückgeht. Das Bildnis zeigt Kopf und Oberkörper einer anziehenden jüngeren Frau und ist mit dem Schriftzug ›Episcopa Theodora‹ (Bischöfin Theodora) versehen.
Es gab also im Frühchristentum nicht nur die bei Paulus erwähnten Presbyterinnen (Priesterinnen), sondern auch (zumindest) diese eine Bischöfin, deren Konterfei wie durch ein Wunder unzerstört blieb. Und dieses Bilddokument straft die Behauptung der Papstkirche Lügen, wonach nur Männer ein Anrecht auf Priester- oder Bischofsweihe hätten. Die frühen Christen, denen die unverfälschte Lehre Jesu noch ungleich näher war, wußten es offensichtlich besser – und handelten entsprechend.
Im Roman wurde das Aussehen des Mosaiks entsprechend der historischen Vorlage beschrieben; allerdings unterscheidet sich diese Schilderung in einem Punkt von den heutigen Verhältnissen. Das Bildnis befindet sich nicht mehr allein an der Wand des Kirchengewölbes; vielmehr ist es nun Teil eines Bilderfrieses. Neben der Episcopa Theodora sind zusätzlich die Madonna sowie die beiden Heiligen Pudentia und Praxedis verewigt: ebenfalls Frauen, die in der frühkirchlichen Epoche eine wichtige Rolle spielten und vermutlich Priesterinnen waren.
Die Kirche Sancta Praxedis stand einst allein – so wie im Buch beschrieben – am Nordrand des Esquilin. Heute stellt Santa Prassede eine gewisse Einheit mit der jüngeren Kirche Santa Pudentia dar, die zur Handlungszeit des Romans noch nicht existierte. Sancta Pudentia (lat.) wurde erst von Papst Siricius (gest. 399) erbaut, und das ältere Gotteshaus Sancta Praxedis damals wohl in das neue Gebäude mit einbezogen. Aus diesen sakralen Keimzellen entstand durch weitere Umbauten in Mittelalter und Neuzeit der Kirchenkomplex, wie man ihn in unseren Tagen erblickt; um so erstaunlicher ist die
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