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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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deiner Erzählung unterbrochen. Du sagtest, du hättest Silvia und den anderen klargemacht, daß du auf eigene Faust handeln müßtest, und sodann die Stadt gestern nach Einbruch der Dunkelheit wieder verlassen …«
    »Ja, ich brachte die Maultiere zu dem Ruinengrundstück«, erklärte die Sibylle. »Bis kurz vor Mitternacht verbarg ich mich dort zusammen mit ihnen, schließlich drang ich durch den geheimen Schlupf in den Stollen ein. Hekate führte mich; ich erreichte die Heilige Grotte, kletterte durch den Felsspalt nach oben und stieß auf die Kaverne, wo der Büttel döste. Es gelang mir, ihn von hinten mit der flachen Beilklinge niederzuschlagen und ihn zu fesseln. Gleich darauf hatte ich die verriegelte Pforte zu deinem Verlies gefunden – und der Rest ist dir bekannt.«
    »Ich werde dir nie vergessen, daß du dein Leben für mich wagtest!« beteuerte Branwyn.
    »Du hättest im umgekehrten Fall ebensowenig gezögert«, entgegnete Samira.
    Branwyn nahm es hin, dann wollte sie wissen: »Und wohin willst du mich nun bringen? Du hast doch sicher schon einen Plan?«
    »Wir reiten an der Stadt Ardea vorbei zur Küste und anschließend zum kleinen Hafen von Ancius wo wir übermorgen ankommen werden«, erwiderte die Sibylle. »Aber ehe wir aufbrechen, wollen wir zunächst ein paar Stunden schlafen …«
    Auch Branwyn spürte plötzlich, wie müde sie war. Wenig später lagen die beiden Frauen eng aneinander gekuschelt unter den Decken, die zur Ausrüstung ihrer Reittiere gehörten, und erwachten erst gegen Mittag wieder.
    Die Weiterreise verlief ohne Zwischenfälle; am dritten Tag nach ihrer Flucht aus Rom kamen sie in die Hafenstadt am Tyrrhenischen Meer. Dort machten sie ein Segelschiff ausfindig, das bereits am folgenden Morgen auslaufen sollte. Branwyn nutzte die ihr verbleibende Zeit, um Briefe an Angela, Camilla und Gaius sowie an Silvia zu schreiben; Samira hatte ihr versprochen, sie später mit zurück in die Tiberstadt zu nehmen.
    Ihre letzte gemeinsame Nacht verbrachten die Freundinnen in der Kammer einer Herberge nahe der Kais; als der neue Tag graute und der Abschied unausweichlich wurde, hatten sie beide Mühe, nicht in Tränen auszubrechen. Noch einmal lagen sie sich in den Armen, dann kletterte Branwyn an Bord des Seglers, der sie außer Reichweite des Patriarchats bringen würde.
    Als der Zweimaster ablegte und die Gestalt Samiras am Ufer immer kleiner wurde, vermochte Branwyn ihr Schluchzen nicht länger zu unterdrücken; oft dachte sie während der wochenlangen Reise an die Sibylle, die ihr eigenes Leben riskiert hatte, um das ihre zu retten. Zuletzt – das Handelsschiff hatte die Überfahrt knapp vor Einsetzen der Herbststürme geschafft – tauchte die Küste Galliens am Horizont auf und am selben Abend warf der Segler Anker im Hafen von Massilia …
    ***
    Branwyn schreckte aus ihrer langen Erinnerung auf. Weil ihre Versunkenheit sehr tief gewesen war, brauchte sie einen Moment, um sich darüber klar zu werden, daß die Landung in der südostgallischen Hafenstadt beinahe zehn Monate zurücklag.
    Mit dem nächsten Lidschlag wurde sie sich der Gegenwart des Kapitäns der Barke bewußt, der neben sie ans Bugspriet getreten war und sie dadurch in die Realität zurückgebracht hatte. Jetzt deutete der schnauzbärtige Seemann auf die Küstenlinie, die zuvor nur eine von schwebenden Nebeln verhüllte Silhouette gewesen war, mittlerweile aber deutlichere Konturen gewonnen hatte, und sagte in keltischer Sprache: »Dort drüben liegt die Mündung des Glaslyn, der aus den Bergen strömt und sich hier ins Meer ergießt. Ich werde mit den Bewohnern der Ansiedlung, die vorletztes Jahr an dieser Stelle gegründet wurde, Handel treiben – und dir wünsche ich, du mögest finden, was die Druidinnen von Avalon dir in Aussicht stellten!«
    »Wenn es der Wille der Göttin ist, wird es geschehen«, erwiderte Branwyn bewegt.
    Der Kapitän machte Anstalten, das Gespräch fortzusetzen, doch da erscholl vom Großmast her ein drängender Ruf. Offenbar hatten die an den Tauen zerrenden Matrosen Schwierigkeiten mit dem Hauptsegel, das vor der Landung in eine andere Position gebracht werden mußte. Der Schiffsführer eilte weg; Branwyn blieb am Vordersteven zurück – und bald wurden die Bilder der Vergangenheit erneut lebendig.
    ***
    An einem Oktoberabend kam sie in Gallien an und erholte sich einige Tage in der großen Hafenstadt Massilia. Das Gold, welches Samira ihr beim Abschied gegeben hatte, ermöglichte es

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