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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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den Schmied der Ansiedlung bestimmt waren, sowie zuletzt eine beachtliche Menge Schilf, das auf der Insel nicht wuchs und das man wohl für das Dach eines neuen Hauses benötigte.
    Beim Anblick des Reets wurde dem Barden einmal mehr bewußt, wie gerne er selbst eine Heimstätte für die Frau, in die er sich verliebt hatte, errichten würde: entweder unter dem Schutz der Fürsten von Kernow in Tintagel oder, falls Branwyn nach Gwynedd zurückkehren wollte, innerhalb der Ringburg der Tudurs in Aberffraw auf Môn Mam Cymru. Er begann von einem Leben mit ihr zu träumen und verdrängte dabei die Tatsache, daß während der dreimonatigen Wanderung zwar tiefe Freundschaft zwischen ihnen entstanden war – aber eben nicht mehr. Vielmehr malte Eolo sich aus, wie die junge Frau die schrecklichen Erlebnisse der Vergangenheit dank seiner unaufdringlichen Zuwendung allmählich überwinden würde. Er mußte ihr nur Zeit lassen, damit sie sich ihm und seiner Liebe nach und nach zu öffnen vermochte; am wichtigsten war es vorerst, sie dazu zu bringen, ihn auch weiterhin zu begleiten, statt hier in Avalon zu bleiben …
    Als er nun freilich daran dachte, wie stark ihre Sehnsucht gewesen war, auf die Ynys Avallach zu gelangen, fühlte er ein schmerzliches Ziehen in der Brust; im selben Moment vernahm er Branwyns Stimme: »Bitte verzeih, daß ich dich so lange habe warten lassen! Doch ich konnte beim besten Willen nicht früher zurückkommen, denn es ist so viel geschehen …«
    Sie griff nach seinem Weinbecher, kostete, schnalzte genießerisch mit der Zunge und fuhr fort: »Stell dir vor, ich habe bereits alle neun Druidinnen von Avalon kennengelernt! Es sind außerordentlich warmherzige Frauen, und Dyara, die jüngste von ihnen, schenkte mir dieses Kleid.« Sie drehte sich um ihre eigene Achse, damit er sie betrachten konnte, und schwärmte: »Na, was sagst du dazu? Ist es nicht ein Gedicht?«
    »Du siehst hinreißend darin aus!« erwiderte er bewundernd und fügte hinzu: »Selbst in der Fürstenhalle von Tintagel würdest du damit Aufsehen erregen …«
    »Tintagel ist weit weg«, kam es von Branwyn. »Und überhaupt wollte ich nur wissen, ob das Gewand dir gefällt …« Sie lächelte ihm zu, gleich darauf saß sie an seiner Seite und brachte ihn auf andere Gedanken, indem sie ihm eröffnete: »Doch jetzt zum Wichtigsten. Wir können noch heute ein wunderschönes Haus im Apfelhain beziehen!«
    »Als Gäste der Druidinnen?« fragte Eolo überrascht.
    »Ja! Bendigeida, die Pendruid, versprach, daß wir dort wohnen dürfen, solange wir wollen«, bekräftigte Branwyn.
    »Dann mußt du tatsächlich großen Eindruck auf sie gemacht haben«, staunte der Barde.
    »Die Frauen freuen sich nicht weniger auf dich. Besonders eine von ihnen namens Alba«, schmunzelte Branwyn. »Freilich warne ich dich besser. Sie machte mir nämlich ganz den Eindruck, als könnte ein Mann ihr mit Haut und Haaren verfallen …«
    »Du möchtest mich aber nicht etwa mit ihr verkuppeln, oder wie?!« versetzte Eolo.
    »Wäre das so schlimm?« Etwas Unergründliches lag in Branwyns graublauen Augen. Drei, vier Herzschläge lang überließ sie ihn seiner Verwirrung, dann erspähte sie den Herbergswirt, der soeben ins Freie trat, winkte ihn heran und bat den Barden: »Sei so lieb und bestelle auch für mich Wein. Schließlich haben wir unsere Ankunft auf der Ynys Avallach noch gar nicht gefeiert.«
    »Das ist ein Wort!« freute sich Eolo, leerte seinen Becher und wandte sich an den Wirt: »Du sagtest vorhin, du hättest noch eine edlere Sorte in deinem Keller, und die wollen wir jetzt probieren. Denn für die bezaubernde junge Frau, die du hier siehst, ist das Beste gerade gut genug!«
    Während der Nachmittag langsam verstrich, ließen sie sich den aus Gallien eingeführten Rotwein schmecken. Rechtzeitig vor Sonnenuntergang suchten sie noch einmal die Kammer auf, in der sie die Nacht verbracht hatten, packten ihre Sachen und machten sich sodann auf den Weg zum Apfelgarten.
    Als sie den Hain erreichten, tauchte die Abenddämmerung die Baumkronen bereits in ihren warmen, rötlichen Schein. Branwyn blieb stehen, um den tiefen Frieden in sich aufzunehmen; auch der Barde schien sehr berührt. Allerdings konnten sie die Stille nicht lange genießen – weil nämlich unvermittelt weiter vorne auf dem Pfad eine weibliche Gestalt erschien, aufgeregt winkte und rief: »Ceridwen sei Dank, endlich seid ihr da! Ich fürchtete schon, ihr würdet heute überhaupt nicht mehr

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