Die Bischöfin von Rom
des Blattwerks dort lugten die Reetdächer von Rundhäusern.
Lange verharrte Branwyn schweigend. Die Druidin ließ ihr Zeit, das Bild in sich aufzunehmen; erst als sie den Blick wieder auf Bendigeida richtete, sagte diese: »Der Apfelgarten ist so alt wie der Spiralweg, der zum Twr hinaufführt. Vor mehr als achthundert Jahren wurde die Pflanzung angelegt; sie gab dem Eiland, auf dem wir uns befinden, seinen Namen: Insel der Äpfel. Die Früchte, die wir hier ernten, kommen allen Menschen zugute, die auf der Ynys Avallach leben; zudem aber ist der Apfelhain die Wohnstätte der Druidinnen von Avalon.«
»Ihr seid also sowohl Gärtnerinnen als auch Hüterinnen der Heiligtümer?« wollte Branwyn wissen.
»So ist es«, bestätigte Bendigeida. »Eines greift ins andere, und alles ist auf vielfältige Weise miteinander verknüpft.«
Langsam gingen sie weiter; wenig später befanden sie sich unter den ersten Bäumen, von denen jeder sorgfältig beschnitten war. Hummeln und Bienen summten zwischen den Zweigen; die Erde darunter war von einem Teppich erst kürzlich abgefallener weißer Blütenblätter bedeckt.
Es ist wie ein Traum, dachte Branwyn. Ein Traum von Frieden, Schönheit und Geborgenheit. Behutsam setzte sie ihre Schritte, manchmal berührte sie die warme Borke eines Stammes oder ließ ihre Finger durch das Laub eines Astes streifen. Einmal, als ihr Weg sie an einem dicht mit Wildblumen bewachsenen Flecken zwischen zwei Baumreihen vorbeiführte, sahen die beiden Frauen eine wirbelnde Wolke zartblauer Schmetterlinge auffliegen und wieder zur Ruhe kommen. Ein Stück weiter stießen sie auf einen kleinen Bach, der sich bergab schlängelte, und dieses glasklare Rinnsal führte sie zuletzt zu jenem Platz, wo die Apfelbäume in Halbkreisen gepflanzt waren.
In jeder dieser natürlichen Lauben stand ein niedriges Rundhaus, insgesamt gut ein Dutzend an der Zahl. Im Zentrum des Areals, wo der Bachlauf sich zu einem Teich verbreiterte, überschattete ein schirmförmiges Reetdach einen großen runden Tisch mit umlaufender Holzbank, und dorthin führte Bendigeida die junge Frau, die sie in ihre Obhut genommen hatte.
Kaum saßen die beiden, näherten sich die übrigen Bewohnerinnen des Apfelhaines. Einige hatte Branwyn schon zuvor bei verschiedenen Tätigkeiten in der Nähe der Häuser erblickt, andere kamen erst jetzt ins Freie. Es handelte sich um acht Druidinnen unterschiedlichen Alters; alle trugen an den Säumen ihrer hellen Gewänder die roten und schwarzen Borten und dazu den schlangenförmigen Tore.
Freundlich begrüßten sie die Besucherin und stellten sich ihr vor. Nachdem auch die letzte auf der Rundbank Platz genommen hatte, berichtete Bendigeida mit bewegenden Worten von Branwyns Schicksal und schloß: »In Gwynedd, wo die Insel Môn Mam Cymru liegt, auf der einst höchste Weisheit blühte, hütete unsere Freundin zusammen mit ihren Gefährtinnen ein Quellheiligtum. Ebenso wie wir ist sie eine Dienerin der Dreifachen Göttin und soll aus diesem Grund künftig bei uns wohnen. Dasselbe gilt für den Barden, der sie auf ihrer Wanderung begleitete und nun in der Herberge am Hafen auf sie wartet; auch er soll Unterkunft im Apfelgarten finden, solange er möchte.«
»Wir heißen dich von Herzen willkommen, Branwyn!« Alba, die älteste der Druidinnen, die ganz in ihrer Nähe saß, beugte sich vor und drückte ihre Hand, dann fügte sie hinzu: »Und ich spreche dabei für uns alle. Denn es gibt, wie du uns bestimmt ansehen kannst, keine unter uns, die nicht billigen würde, was Bendigeida in ihrer Eigenschaft als Pendruid im Einklang mit dem Willen Ceridwens entschieden hat.«
»Ich … danke euch!« Branwyn überwand ihre Verblüffung, stand auf, ging von einer der Frauen zur nächsten und umarmte jede einzelne: die grauhaarige Alba, die sie an Arawn erinnerte; andere, welche mütterlich wie Kigva wirkten; dazu einige, die so jung waren wie sie selbst. Zuletzt, als sie sich wieder neben Bendigeida setzte, konnte sie es sich nicht verkneifen, mit leisem Schmunzeln zu bemerken: »Aber eigentlich hättest du mir gleich auf dem Twr sagen können, daß du die Oberste Druidin der Ynys Avallach bist …«
»Wir hatten über Wichtigeres zu sprechen«, entgegnete Bendigeida augenzwinkernd. »Und jetzt, nachdem du in unsere Gemeinschaft aufgenommen bist, möchten wir dir das Haus zeigen, in dem du unterkommen kannst.« Sie deutete auf eine der Lauben. »Dort drüben steht es; wir hoffen, du wirst dich zusammen mit
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