Die Bischöfin von Rom
auch ich mich zuzeiten in der Dichtkunst, und wir werden später beim gemeinsamen Mahl, das deinem Vortrag folgen soll, sicherlich noch Gelegenheit finden, uns eingehend darüber auszutauschen. Doch selbstverständlich, ich gestehe es ohne Neid, vermag ich einem Meister wie dir nicht das Wasser zu reichen. Desto mehr aber freue ich mich darauf, nunmehr deinen Darbietungen zu lauschen, denn ganz gewiß wirst du mir und meinen Freundinnen im Verlauf dieser Nacht dank deines einzigartigen Könnens unvergeßliche Genüsse bereiten.«
Sie achtete nicht auf das Prusten, das von dort her ertönte, wo Dyara neben Branwyn saß, sondern fuhr fort: »Ehe wir uns jedoch den Freuden hingeben, die du uns verschaffen wirst, laß uns noch einmal die Pokale erheben. Schließlich lautet ein weises Sprichwort: Der Wein beflügelt des Dichters Herz!«
»Das ist ein außerordentlich zutreffender und menschenfreundlicher Ausspruch!« erwiderte Eolo, der mittlerweile seinen Humor wiedergefunden hatte. »Und ich gehorche dir um so lieber, als dein Rebensaft, den du so großmütig mit uns anderen teilst, wirklich unvergleichlich ist.«
»Dein Wort beweist mir, daß auch in dieser Hinsicht tiefe Seelenverwandtschaft zwischen uns herrscht«, frohlockte seine grauhaarige Anbeterin, ließ ihr Trinkgefäß gegen das des Barden klingen und stärkte sich nicht weniger ausgiebig als er. Danach lehnte sie sich behaglich in ihrem Sessel zurück und gab Eolo dadurch das Zeichen, mit seinem Vortrag zu beginnen.
Er legte die Handharfe in seine Armbeuge und schlug die Saiten an. Die perlenden Töne eines Vorspiels erfüllten den Raum und verwandelten sich in eine heitere Melodie, dann erklang auch die Stimme des Barden. Er sang das Frühlingslied, das Branwyn erstmals an jenem Tag gehört hatte, als er den Paßweg am Eryri Gwyn heraufgekommen war. Sie dachte daran, wie sehr sie sich damals gefreut hatte, nach der langen Einsamkeit des Winters endlich wieder einem Menschen zu begegnen; einige Male, wenn ihre Blicke sich trafen, lächelte sie ihm zu.
Nachdem er geendet hatte, klatschten die Frauen; Alba freilich gab sich damit nicht zufrieden, sondern schwenkte ihren Pokal und erklärte begeistert: »Ich muß abermals mit dir anstoßen, mein Freund Eolo! Denn dein Gesang hat mich innerhalb weniger Augenblicke um viele Jahre verjüngt, so daß ich mich beinahe wieder wie ein junges Mädchen fühle, das im Schein der Maiensonne mit seinem Liebhaber zum Reigen schreitet.«
Der Barde tat ihr Bescheid, trank einen Schluck und wartete ab, bis auch sie sich kräftig gelabt hatte, ehe er antwortete: »Da mein erstes Lied dich in die Blütezeit deines Daseins zurückzuversetzen vermochte, wirst du sicher auch Freude an meinem zweiten haben, welches dich nun an die volle Reife deiner Weiblichkeit erinnern soll, weil es nämlich die Schönheit der sommerlichen Jahreszeit beschwört.«
Damit begann er neuerlich zu präludieren und trug sodann den angekündigten Gesang vor. Eben noch war die Stimmung im Rundhaus von fröhlicher Ausgelassenheit gewesen, jetzt kamen die von einer warmen Melodie untermalten Worte getragener und erfüllten das Gemüt der Zuhörerinnen mit ebendiesen Empfindungen. Sie glaubten, wogende Kornfelder, mit Früchten behangene Obstbäume und dösendes Vieh auf sonnigen Weiden vor sich zu sehen; zuletzt verlor sich das Lied in einer Reihe von Tönen, die wie langsames Verwehen von weichem Sommerwind waren.
Nachdem Eolo geendet hatte, blieb es eine Weile still; keine der Frauen wollte den noch immer anhaltenden Zauber zerstören. Endlich aber seufzte Alba tief auf, griff nach ihrem Trinkgefäß, stärkte sich und lobte den Barden: »Wahrlich, dein Gesang besaß beinahe magische Kraft! Nur einem besonderen Liebling Rhiannons können derartige Schöpfungen gelingen – und ich bin überzeugt, dein drittes Lied wird den beiden anderen nicht im geringsten nachstehen.«
»Wie du wahrscheinlich schon vermutet hast, handelt es vom Herbst«, entgegnete Eolo Goch und griff wiederum in die Saiten. Gleich darauf hatten die Druidinnen den Eindruck, als trieben Regenwolken über Wald und Flur und brausten Stürme über das Land. Leise Traurigkeit berührte die Seelen der Frauen, und sie vermeinten Vogelschwärme zu erblicken, die sich über kahl werdenden Baumwipfeln sammelten, um mit klagenden Rufen nach Süden davonzuziehen.
Auch diesmal herrschte nach dem Vortrag andächtiges Schweigen; selbst auf dem Antlitz der ansonsten so vorwitzigen Dyara
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