Die Bischöfin von Rom
deinem Gefährten unter seinem Dach wohl fühlen.«
Alle neun Frauen begleiteten Branwyn zu dem Gästehaus; als sie näherkamen, klang ihnen das Zwitschern eines Schwalbenpärchens entgegen, das unter dem Eingangsgiebel nistete. Drinnen gab es ebensolche Bänke mit Schlafstellen wie in den Gebäuden auf der Ynys Vytrin; die Feuerstelle dagegen befand sich nicht in der Mitte des großen Raumes, sondern war seitlich an eine der Wände versetzt und besaß einen aus Bruchsteinen gemauerten und mit Lehm verstrichenen Rauchabzug. Über dem Kochplatz hing an einem hölzernen Schwenkarm ein Eisenkessel; seine drei Kettenknäufe waren kunstvoll zu Ranken geschmiedet. Am meisten aber staunte Branwyn über die Möbel: einen mit vielfältigen Schnitzereien verzierten und mit Intarsien eingelegten Tisch; Stühle mit ledernen Sitzflächen und bogenförmigen Lehnen; dazu in einer Einbuchtung der Rundbank eine mit Tierfiguren bemalte Truhe sowie ein breites gedrechseltes Wandbord, das zur Aufbewahrung von glasierten Töpfen, Schalen, Tellern und Trinkgefäßen diente.
»Es ist wunderschön!« flüsterte Branwyn. »Wie soll ich euch das nur jemals vergelten können …?« Beinahe verlegen stand sie in ihrem während der langen Wanderung fadenscheinig gewordenen und vielfach geflickten Kleid da.
»Wenn du dich über das freust, was wir dir geben können, ist uns das Dank genug«, erwiderte die betagte Alba. »Einen Gefallen allerdings könntest du uns tun …«
»Jeden!« versprach Branwyn.
Die Alte lächelte verschmitzt. »Wie wäre es, wenn du so schnell wie möglich deinen Freund Eolo Goch hierher brächtest? Wir haben nämlich zu unserem Leidwesen seit Monaten keinen Barden mehr zu Gast gehabt.«
»Ich werde Eolo sofort holen.« Branwyn machte Anstalten, nach draußen zu gehen.
Bendigeida jedoch hielt sie zurück. »Ganz so eilig ist es nicht, auch wenn wir alle Albas Schwäche für Dichter und Sänger kennen. Aber die Gute wird sich noch ein wenig gedulden müssen, denn es ist längst Mittag und damit Zeit für unser gemeinsames Mahl, zu dem du selbstverständlich eingeladen bist.«
»Und ehe du dann die Hafenherberge aufsuchst, brauchst du unbedingt ein neues Gewand!« fiel die jüngste der Druidinnen ein, deren Name Dyara lautete. »Ich glaube, wir haben genau dieselbe Größe, deshalb werde ich dir eins von meinen …«
»Nein, das ist doch nicht nötig!« unterbrach Branwyn die hübsche junge Frau mit den blauen Augen und dem lockigen brünetten Haar. »Ich kann mir sehr gut selbst ein Kleid nähen. Wirklich, ihr tut ohnehin schon so viel für mich, und …«
»Unsinn!« fiel ihr nun wiederum Dyara ins Wort. »Ich helfe dir gerne – und wenn du Wert darauf legst, meine Freundin zu werden, darfst du mein Geschenk nicht zurückweisen!« Dabei lachte sie Branwyn so entwaffnend an, daß dieser nichts anderes übrigblieb, als sich zu fügen. Zufrieden hakte sich Dyara bei ihr unter, führte sie zur Tür und verkündete schalkhaft: »So, und jetzt dürft ihr uns alle zu Tisch folgen!«
Weil das Wetter sonnig war, wurde das Mahl im Freien eingenommen: dort, wo die Frauen zuvor schon unter dem schirmförmigen Reetdach gesessen hatten. Mehrere große Fruchtkuchen wurden angeschnitten, dazu gab es eingemachtes Apfelkompott und gegen den Durst kühlen, aromatischen Most.
Branwyn ließ es sich schmecken und beantwortete zwischendurch die Fragen, welche die Druidinnen an sie richteten. Sie erzählte von den besonderen Ritualen, die an der Heiligen Quelle auf der Ynys Vytrin stattgefunden hatten, und schilderte das eine oder andere Erlebnis ihrer Wanderung – bis zuletzt alle gesättigt waren und Dyara auf ihre unnachahmliche Art erklärte, sie und ihre neue Freundin hätten nun Bedeutsameres zu tun.
Sie liefen hinüber zu der Laube, in der Dyaras kleines Haus stand. Es war ähnlich wie das Gebäude eingerichtet, in dem Branwyn untergekommen war. Einige Möbelstücke spiegelten das heitere Wesen der Bewohnerin wider: so zum Beispiel zwei nahe beieinander stehende Stühle, deren Armlehnen in geschnitzte Gänseköpfe mit weit aufgesperrten Schnäbeln ausliefen – und in denen sich herrlich mit Besucherinnen schnattern ließ, wie die junge Druidin beteuerte.
»Du mußt so bald wie möglich einmal für einen ganzen Abend zu mir kommen, dann wirst du schon sehen«, fuhr sie fort. »Doch jetzt zu deinem neuen Gewand …«
Sie tänzelte in den Hintergrund des Raumes zu einer Truhe, beugte sich nieder und öffnete den
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