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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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der Bewohner, die mit verschiedenen handwerklichen Tätigkeiten beschäftigt waren, wurden sie freundlich begrüßt. Bei einem Mann, der auf einer Werkbank vor seiner Haustür Dauben für ein Faß hobelte, erkundigte sich Dyara, ob Saray oder ihr Gemahl Danyell in der Nähe seien, und bekam die Auskunft, die beiden hielten sich im Gotteshaus auf.
    Gleich darauf waren sie bei der Kirche und traten ein. Drinnen sahen sie die Genannten hinter dem schlichten Steintisch des Altars stehen; sie hatten eine Bütte bei sich und verspachtelten eine schadhafte Stelle der Giebelwand mit einem Gemisch aus Lehm, Strohhäcksel und Rinderdung.
    Weil sie völlig in ihre Arbeit vertieft waren, bemerkten sie die Besucher nicht sofort. Unbemerkt näherten sich die beiden Frauen entlang einer Reihe einfacher Holzbänke; Branwyn fand Gelegenheit, die Ornamente zu betrachten, die als umlaufendes Fries an die gekalkten Wände gemalt waren: Fischsymbole, verschiedene andere Tierdarstellungen sowie durch Ranken verbundene Weinreben. Erst als die junge Druidin hüstelte, wandte das Paar sich um und vernahm aus dem Mund Dyaras, der einmal mehr der Übermut aus den Augen blitzte, die launigen Worte: »Ich hoffe, ihr habt gut vergorenen und lieblich duftenden Kuhmist in ausreichender Menge untergemischt, denn darin liegt, wie freilich nur die wahren Eingeweihten wissen, das innerste Geheimnis eines besonders haltbaren Wandverputzes.«
    Danyell, ein kaum dreißigjähriger kräftiger Kerl mit einem ungebärdigen dunklen Haarschopf über der Stirn, ging auf den Spaß ein: »Hast du das gehört, Saray? Unsere naseweise Freundin will uns tatsächlich weismachen, sie verstünde etwas von der Baukunst. Dabei können wir uns noch sehr gut daran erinnern, wie sie sich erst vor wenigen Monaten, als die Frühjahrsstürme über die Insel hinzogen und danach ihr eigenes Haus im Apfelhain wieder in Ordnung gebracht werden mußte, bitterlich über die damit verbundenen strengen Gerüche beklagte.«
    »Wir weiblichen Wesen sind eben feinfühliger als ihr plumpen Männer«, gab Dyara schlagfertig zurück. »Darin stimmst du mir doch zu, Saray, oder?«
    Die ungefähr fünfundzwanzigjährige Frau an Danyells Seite, deren anziehendes Gesicht von einer Fülle rabenschwarzer Locken umrahmt war, lachte. »Da ich es weder mit dir noch mit meinem teuren Angetrauten verderben möchte, äußere ich mich lieber nicht näher, obwohl ich deinen Ausführungen eine gewisse Lebensweisheit durchaus nicht absprechen kann …«
    Als sie merkte, daß Danyell protestieren wollte, verschloß sie ihm den Mund mit einem raschen Kuß. Dann kam sie um den Altar herum, tauchte die Hände in ein Wasserschaff, das neben dem Steintisch stand, umarmte Dyara und wandte sich an Branwyn: »Du bist wohl erst seit kurzem auf der Insel von Avalon, weil wir dich noch nie gesehen haben. Aber um so mehr freuen Danyell und ich uns, dich kennenlernen zu dürfen.«
    »Mir geht es ebenso«, antwortete Branwyn lächelnd. Sie nannte ihren Namen, berichtete kurz von ihrer Wanderung mit Eolo Goch und erzählte, wie sie sich mit Dyara angefreundet hatte. Sodann kam sie auf den Dornbaum zu sprechen und schloß: »Ich kann es kaum erwarten, ihn zu sehen und die Überlieferungen zu hören, die mit ihm verknüpft sind.«
    »Wenn das dein Wunsch ist, bist du bei Saray und mir genau richtig«, erklärte Danyell, der sich inzwischen zu den drei Frauen gesellt hatte. »Denn …«
    »Denn«, unterbrach Dyara ihn schmunzelnd, »dieses verliebte Turteltaubenpärchen versieht so ganz nebenbei den Kirchendienst in der christlichen Gemeinde der Ynys Avallach. Und von daher müssen die beiden natürlich Bescheid wissen.«
    Als sie Branwyns verwunderte Miene sah, bekräftigte sie: »Du hast richtig gehört. Saray ist Priesterin, während ihr Ehegespons ihr in diesem Amt sozusagen als Gehilfe zur Hand geht.«
    »Manchmal freilich halten wir es auch umgekehrt«, fiel Danyell augenzwinkernd ein. »Es hängt ganz davon ab, wer von uns beiden gerade die Hosen anhat …«
    »Heißt das tatsächlich, ihr seid beide geweiht und übt das Priesteramt gleichberechtigt aus?« fragte Branwyn erstaunt.
    »Warum sollten wir es nicht tun, nachdem wir doch in Liebe miteinander verbunden sind?« entgegnete Saray.
    »Zu zweit können wir unseren Mitmenschen besser dienen als jeder für sich allein«, setzte Danyell diesmal ernsthaft hinzu.
    »Daran besteht kein Zweifel«, nickte Branwyn. »Nur wußte ich bisher nicht, daß eure Religion euch

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