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Die Bismarcks

Die Bismarcks

Titel: Die Bismarcks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Thies
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Briten entfernt.
    Ohne Zweifel verdankte er diese Karriere, diese Chance zum Neubeginn, seinem Namen und damit dem Reichsgründer und dessen Nachfahren. Dass er zu einer anderen Linie der Bismarcks gehörte, dürfte den britischen Besatzungsoffizieren unbekannt oder gleichgültig gewesen sein. Diese Generation von Soldaten assoziierte mit den Namen das Deutschland des vorangegangenen Jahrhunderts. Mancher junge Offizier hatte sicherlich auch zehn Jahre zuvor registriert, dass ein Bismarck mit einer sehr attraktiven Frau als Diplomat in London gewesen war. Die britische Presse hatte damals ausführlich über Otto II. und seine aus Schweden stammende Gattin berichtet.
    Klaus profitierte somit von einer extrem positiven Besetzung seines Namens. Diese führte vermutlich auch dazu, dass er trotz seiner nur rudimentären Englischkenntnisse 1946 zu einem Kongress nach Liverpool eingeladen wurde. In einem kurzen Statement legte er seine Vorstellung von einer Jugendarbeit westlich-demokratischer Prägung dar. Das Schlüsselwort hieß Geduld. Klaus war gegen eine forcierte »re-education«. Im Rückblick auf die erste Auslandsreise nach dem Krieg hielt Bismarck fest: »Obwohl ich keine braunen Flecken auf der Weste hatte, war mir nicht wohl dabei gewesen, dass man mich als sympathische Ausnahme angenommen hatte.« 14
    Der britische Oberkommandierende, General Montgomery, war der Ansicht, dass 80   Prozent der Deutschen noch immer Nazis seien. Vor dem Hintergrund eines ungewöhnlichen Elternhauses mit einerseits preußisch-pommerscher Prägung, andererseits starken musischen Elementen, entwickelte Klaus ein Konzept, in dem das Musizieren eine große Rolle spielte. Besonders wichtig war der Gedanke, einer Generation, der die Jugend vorenthalten worden war, etwas von den verlorenen Jahren zurückzugeben. Die zwölf Jahre lang vom Rest der Welt abgeschotteten jungen Deutschen sollten die Nachkriegswelt erobern: per Zeltlager, auf Reisen, beim Sport, mit Musik und Laienspiel.
    Das Besondere an den Plänen des ehemaligen Wehrmachtsoffiziers war, alle weltanschaulichen Gruppen einzuladen. Bismarck brach mit den deutschen Vorkriegstraditionen, der Aufspaltung in konfessionelle und politische Jugendorganisationen. Hier in Vlotho holte er auch selbst ein Stück seiner verpassten Jugend nach, während seine Familie in Oberbehme bei Herford, nur 15   Kilometer entfernt, rasch anwuchs. Er sah Frau und Kinder nur an Wochenenden. Vermutlich hatte ihn die lange Zeit als Soldat zu einem Einzelgänger gemacht. Er wollte eine große Familie haben, hier den Instinkten des Großgrundbesitzers folgend. Er wollte aber auch allein sein. Ein weiterer Grund mag das Schlüsselerlebnis gewesen sein, das er im Sommer 1945 bei der Predigt eines evangelischen Gemeindepfarrers hatte. Ernst Wilm wurde später einer seiner Förderer in der EKD . Der Theologe brachte ihn zu der Erkenntnis, sein Leben breiter zu gestalten. »Es war der Augenblick«, hat Klaus später geschrieben, »in dem es mir nicht mehr möglich schien, mein Leben als nur privat zu begreifen.« 15
    Neben dem Pfadfinder-Major gehörte Nigel Spicer, ein Jugendoffizier und Aufseher über das, was sich in Vlotho nun tat, zu seinen Förderern. Aber Klaus gewann auch rasch im In- und Ausland Menschen, die ihn unterstützten. In Großbritannien war es Victor Gollancz, den die Deutschen wegen seiner moralischen Appelle, den Besiegten mehr zu helfen, besonders liebten. Aus Frankreich kamen Marie Médard, die das KZ Ravensbrück überlebt hatte, und ihr Landsmann Joseph Rovan. Rovan spielte in der Kulturpolitik der französischen Besatzungszone eine wichtige Rolle. Aus den USA erschien Edward Ladd.
    Zu einer besonders interessanten Begegnung kam es, als Erich Honecker und Hermann Axen in Begleitung von Edith Baumann, der ersten Frau Honeckers, nach Vlotho anreisten. Sie wollten den pluralistischen Ansatz des Begegnungszentrums studieren und daraus Erkenntnisse für den Aufbau ihrer Jugendorganisation ziehen. Sie streckten aber auch ihre Fühler aus, ob Klaus als Leiter für ein Zentrum in der sowjetischen Zone zu gewinnen sei. Die Gespräche verliefen freundschaftlich, man duzte sich, war aber auch verlegen. Nach Gründung der DDR im Herbst 1949 brach der Kontakt der FDJ nach Vlotho ab.
    Dem Krieg entronnen, wurde Klaus von Bismarck in diesen ersten Nachkriegsjahren ein gläubiger Mensch. Er entsann sich der Prägung, die er in seinem Elternhaus erfahren hatte. Seine Frau kam ebenfalls aus einem

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