Die Bismarcks
Umfeld, das der Bekennenden Kirche nahegestanden hatte. Im protestantisch-pietistisch geprägten Ostwestfalen baute Klaus diese Kontakte nun aus und übernahm auch Aufgaben in der Evangelischen Kirche. Im Raum Bielefeld-Herford gab es zu dieser Zeit eine Reihe von Pfarrern, die später in der EKD bemerkenswerte Karrieren zurückgelegt haben. Zu ihnen gehörten neben Hermann Kunst, der als Bischof die EKD bei der Bundesregierung in Bonn vertrat, Präses Ernst Wilm und Hans Thimme, der später Oberkirchenrat in Bielefeld wurde. Wilm und Thimme boten Bismarck 1949 die Leitung des neu gegründeten »Sozialamts der Evangelischen Kirche in Westfalen« an. Der Zeitpunkt war günstig: Die Tätigkeit im Jugendhof in Vlotho hatte einen gewissen Höhepunkt erreicht, und Bismarck konnte nicht für immer »Berufsjugendlicher« bleiben.
Mit seiner noch größer gewordenen Familie, die mittlerweile fünf Kinder zählte, zog er nun nach Schwerte an der Ruhr. Die Bismarcks bezogen dort das in einem Park gelegene Gutshaus »Haus Villigst«. Von der Umgebung und Lage ähnelte der neue Wohnsitz dem bisherigen. Das Sozialamt war nicht der einzige Mieter im Hause. Außer dem neu gegründeten Evangelischen Studienwerk zog auch das »Katechetische Amt der Evangelischen Kirche in Westfalen« in das ziemlich verwahrloste Gebäude ein. Koordination und Gesamtleitung des Objekts blieben zunächst offen.
Klaus von Bismarck erwarb sich rasch Meriten in Villigst. Er schrieb einen Bericht über Berglehrlingsheime, die bis dahin im Stil einer preußischen Militär-Mannschaftsstube geleitet wurden. Daraus entwickelte sich bald das große Thema der Humanisierung der Arbeitswelt. Hinsichtlich der theoretischen Vorgaben hatte die protestantische Sozialethik hier wenig zu bieten; sie war weitgehend karitativ bestimmt. Bismarck holte sich daher Anleihen bei Max Weber und den Sozialenzykliken der Päpste und lernte auf diese Weise auch den Jesuitenpater Oswald von Nell-Breuning kennen.
Die Netzwerke, die Klaus von Bismarck in den ersten Nachkriegsjahren aufgebaut hatte, begannen sich nun weiter zu entfalten. 1950 wurde er erstmalig damit beauftragt, den Zweiten Evangelischen Kirchentag in Essen mit zu organisieren. Eine alte pommersche »connection« war dafür ausschlaggebend: die Verbindung zu Rudolf von Thadden. Er war auf einem Gut groß geworden, das 20 Kilometer entfernt von Kniephof lag. In gewisser Weise schloss sich damit der Kreis, den Otto von Bismarck in jungen Jahren auf der Suche nach seinem Gott bei Gesprächen im Hause Thadden-Trieglaff zu ziehen begonnen hatte. Trieglaff hatte drei Söhne im Krieg verloren, seine Frau hatte zum Kiep-Kreis gehört und war 1944 hingerichtet worden. Auch Hannah von Bredow hatte sich in diesem oppositionellen Zirkel bewegt.
Ein Jahr später war Klaus erneut an der Organisation des Kirchentages beteiligt, der in Berlin stattfand. Drei Jahre später zeichneten sich auf einem weiteren Kirchentag die ersten Konturen eines Umdenkens in der Vertriebenen- und Ostpolitik ab. Vom »Loslassen« der Heimat war erstmals die Rede, ein Thema, das Klaus von Bismarck zeitlebens umgetrieben hat. Nachfolger Thaddens wurde einige Jahre später Richard von Weizsäcker, dessen Schicksal im Krieg und dessen Nachkriegskarriere starke Parallelen zu Klaus von Bismarck aufweisen. Die Entwicklung ihrer Persönlichkeiten nach 1945 hat einen erstaunlich ähnlichen Verlauf genommen. Nicht zufällig wurden die beiden enge Freunde. Von 1955 bis 1965 gehörte von Bismarck dann auch der Synode der EKD an, dem Kirchenparlament. 1957 wurde dem Exoffizier das Amt des ersten Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages angetragen. Bismarck fand die Konstruktion unglücklich, er hätte eine Anbindung an das Ministerium bevorzugt. Nach einem Gespräch mit Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier gewann Bismarck den Eindruck, dass die CDU / CSU ihn in Entscheidungssituationen nicht unterstützen würde. Er galt bei den Konservativen mittlerweile als »fellowtraveller«. Bismarck lehnte ab.
Die große Karriere
Die auf zehn Köpfe angewachsene Familie Bismarck führte in Schwerte an der Ruhr in den 1950er-Jahren ein schönes, aber einfaches Leben in der Natur, mit vielerlei Anklängen an die Verhältnisse in Pommern. Bismarck bezog das Gehalt eines Pfarrers, das trotz der Kinderzuschläge und Steuerminderung für Urlaube und besondere Ausgaben kaum ausreichte. Um es aufzubessern, begann er, Beiträge für den Hörfunk zu schreiben, das Leitmedium
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