Die Bismarcks
dieser Jahre. Es machte ihm Spaß zu formulieren, Texte zu entwerfen.
Versiert und erfahren im Umgang mit Gremien, zog Bismarck 1953 in den Verwaltungsrat des Nordwestdeutschen Rundfunks ein, der Programme für die britische Zone zwischen Flensburg und Siegen ausstrahlte. Er lernte in dieser Funktion die großen Radiomacher der Zeit kennen, allen voran Sir Hugh Carleton Greene und auf deutscher Seite Adolf Grimme. Die Briten, die eine Rundfunklandschaft nach dem Vorbild der BBC nach Deutschland gebracht hatten, begannen nun allmählich, sich aus den Kontrollgremien zurückzuziehen. Gleichzeitig wuchs das Selbstbewusstsein der Länderministerpräsidenten des Nordens, sich nach dem Motto »cuius regio, eius radio« eigene Landessender zu schaffen. Das Ende des NWDR im Jahre 1955 war die Folge. An seine Stelle traten nun der Norddeutsche Rundfunk ( NDR ) und der Westdeutsche Rundfunk ( WDR ).
Erneut ergab sich für Bismarck eine günstige Konstellation, als es wenige Jahre später zu einem Bruch zwischen dem WDR -Intendanten Hanns Hartmann und dem Vorsitzenden des Verwaltungsrates, NRW -Innenminister Josef Hermann Dufhues ( CDU ), kam. Dufhues begab sich auf die Suche nach einem geeigneten Nachfolger, scheiterte mit seinen Kandidaten jedoch in den Gremien des WDR . Schließlich ging er auf Bismarck zu, der zu dieser Zeit als Nachfolger Thaddens im Gespräch war. Nach kurzer Bedenkzeit erklärte Bismarck seine Bereitschaft zur Kandidatur und wurde am 17. Dezember 1960 zum Intendanten des WDR gewählt. Er blieb 15 Jahre lang an der Spitze des Senders.
Damit war er am Ziel angekommen. Er leitete den gebührenstärksten Sender im bevölkerungsreichsten Land der Bundesrepublik. Die geduldige Entwicklung und Aufbauarbeit des gelernten Landwirts, die Lehrjahre in Vlotho und Villigst, die Arbeit für den Kirchentag hatten sich ausgezahlt. Aber auch die pommersche Leidenschaft, die er sich selbst bescheinigte, und der niemals nachlassende Ehrgeiz. Bismarck galt als Repräsentant aller gesellschaftlichen Gruppen. Längst war er für die politische Klasse der jungen Bundesrepublik ebenso ein Begriff wie für den Chef einer Volkshochschule oder den Leiter einer Jugendbegegnungsstätte. Auch die beiden großen Parteien konnten ihn, wenn auch leise murrend, am Ende als Intendant akzeptieren. Dem damaligen jungen WDR -Redakteur Arnulf Baring zufolge hat Bismarck über sich gesagt, er sei zu einem Drittel SPD , zu einem weiteren Drittel CDU , zu einem Drittel liberal und zu einem Drittel nichts von alledem. Darüber hinaus war Bismarck das Gegenteil eines Kommisskopfes, sondern ein charmanter, für sich einnehmender Mann. Er hatte ein starkes Empfinden für schöne Frauen und erzielte Wirkung auf das andere Geschlecht.
Bismarck zog mit seiner Familie nach Köln. Als er kam, hatte der WDR knapp 2000 fest angestellte Mitarbeiter. Als er ging, hatte sich die Zahl nahezu verdoppelt. Das Leitmedium Hörfunk wurde in dieser Zeit durch das neue Leitmedium Fernsehen abgelöst. Im Herzen blieb Bismarck jedoch ein Radiomann. Ausdruck dieser Jahre nahezu ungebrochenen Wachstums war der Neubau des WDR mitten im Zentrum von Köln mit seiner klobigen Architektur, die Bismarck in der Rückschau bedauert hat. Ein Hochhaus des großen Komplexes überspannt im Stadtzentrum von Köln die Nord-Süd-Fahrt. Im fünften Stock des sogenannten Vierscheibenhauses bezog er sein Büro und arbeitete mit einem kleinen Team von Vertrauten. Zu ihnen gehörte Ursula von Welser, die für ihn das Programm beobachtete, sowie die persönlichen Referenten und Büroleiter Hans Joachim Hamann, Ulrich Schaeffer und Helmut Drück. Sie machten später in der ARD Karriere; Drück wurde RIAS -Intendant.
Da die Gebühreneinnahmen immer weiter anstiegen, entwickelte sich der WDR zum Goldesel zwischen Rhein und Ruhr. Mit den öffentlichen Geldern wurden nicht nur die Gehälter der Redakteure, die Programme und die kostspieligen Sendeanlagen finanziert, sondern auch die Kulturarbeit der Kommunen. Die Parteien, die im Rundfunk- und Verwaltungsrat saßen, profitierten ebenfalls indirekt. So gingen Überschüsse des WDR an Parteistiftungen. Theater in Düsseldorf und Köln wurden subventioniert. Die Folkwang-Stiftung in Essen erhielt Geld aus WDR -Töpfen. Das Kölner Wallraff-Richartz-Museum wurde in den Stand versetzt, wertvolle Gemälde anzukaufen.
Spätestens in Köln, als Chef und Anführer einer Mitarbeiterschaft in Stärke einer Brigade, zahlte sich Bismarcks
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