Die Bismarcks
mit dem er befreundet war, hat Bismarck einmal einen »seriösen Dilettanten« genannt. Dieser Dilettant förderte in seinem Sender die Anliegen der modernen Kunst, u. a. die schwer zu vermittelnde elektronische Musik. 18
Das unruhige, selbstverliebte, allem Hierarchischen abholde und schwer zu bändigende Völkchen der Journalisten und Programmmacher ließ Bismarck über die Jahre an der langen Leine laufen. Nur selten griff er in die Programmvorschläge und Umsetzung der ihm Untergebenen ein. Aber das brachte ihm häufig Ärger in den mit Parteipolitikern besetzten Gremien ein.
Besonders gut verstand er sich über die Jahre mit dem liberalen NRW -Innenminister Willy Weyer. Der Protest von 1968 schwappte vorübergehend auch in den WDR über. Bismarck ritt ihn mit gewohnter Gelassenheit ab. Als ihm vorgeworfen wurde, den WDR wie ein hinterpommersches Dorf-Postamt zu regieren, ließ er sich von dem bekannten Grafiker Willy Fleckhaus ein Schild entwerfen, das zu seinem Büro wies: Zum Dorf-Postamt.
Größere Debatten entstanden, als Bismarck eine Fernsehsendung absetzen ließ, in der dem damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke vorgeworfen wurde, am Bau von KZ -Baracken beteiligt gewesen zu sein. Die Fakten stimmten, Bismarck entschied sich dennoch für die Absetzung, weil er ein sentimentales Gefühl für den unbeholfenen, vom Lande stammenden Präsidenten entwickelt hatte und weil es für ihn um die Würde des Bundespräsidentenamtes ging. 19 Hoch schlugen die Wellen in den WDR -Gremien auch, als sich herausstellte, dass ein WDR -Redakteur der Terroristin Ulrike Meinhof und einem Begleiter für eine Nacht Unterschlupf gewährt hatte. Auch in diesem Fall reagierte Bismarck unkonventionell und moderat: Der Redakteur wurde nicht entlassen.
Mit einem geschärften Blick für soziale Probleme regte Bismarck zu einem sehr frühen Zeitpunkt Programme für Gastarbeiter an, die nach und nach von den anderen Sendern der ARD übernommen bzw. nachgeahmt wurden. Nach seiner Zeit beim WDR kümmerte er sich um die Integration von Aussiedlern. Er machte der EKD klar, dass der Zuzug von Russland- und Rumäniendeutschen auch Auswirkungen auf die Arbeit der Kirche, auf die Situation in den Gemeinden haben werde.
Bismarck begann seine Tätigkeit beim WDR mit sehr geringer Auslandserfahrung. Als er den Sender verließ, war er auch ein Mann mit großer internationaler Expertise. Vor allem die Dritte Welt interessierte ihn. Dies und sein Name prädestinierten ihn für eine Aufgabe, bei der er die moderner und offener gewordene Bundesrepublik gut nach außen repräsentieren konnte. Hildegard Hamm-Brücher und Hans von Herwarth trugen ihm 1977 die Leitung des Goethe-Instituts an. Bismarck befand sich bereits nahe der Altersgrenze, konnte sich mit dem Gedanken eines Pensionärsdaseins jedoch nicht anfreunden. Er hatte ein für ihn grauenhaftes Jahr seit dem erzwungenen Abschied vom WDR gerade hinter sich. Bismarck kandidierte und wurde gewählt. Zwölf Jahre lang wurde das Haus am Münchner Salvatorplatz nun seine berufliche Heimat.
Dieter Sattler, der Leiter der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes, hatte für die auswärtige Kulturpolitik der Bundesrepublik ein Konzept entworfen, das Bismarck nun vorfand. Beide waren einmal Anwärter auf den Intendantenposten beim WDR gewesen, Bismarck hatte damals das Rennen gemacht. Er übernahm nun die Vorstellungen Sattlers und baute sie aus. Ihr Grundgedanke war, entsprechend dem föderalen Aufbau der Bundesrepublik Kulturpolitik dezentral zu betreiben, aber durch den Bund zu finanzieren. An Mittlerorganisationen wie das Goethe-Institut, den DAAD oder die Alexander-von-Humboldt-Stiftung sollten die Aufgaben im Einzelnen delegiert werden. Die Arbeit der Goethe-Institute auf der ganzen Welt wurde somit vom Auswärtigen Amt finanziert, aber die Institution unterstand ihm nicht: Sie war anders als ein französisches Kulturinstitut in der Programmarbeit frei. Nur im Notfall konnte ein Botschafter sein Veto gegen eine beabsichtigte Veranstaltung eines Goethe-Instituts einlegen. Das führte gelegentlich zu Friktionen, hat am Ende aber das Ansehen der Bundesrepublik in der ganzen Welt gesteigert. Ein Land präsentierte sich mit all seinen Widersprüchen.
Bismarck begann seine Arbeit in München wie seinerzeit in Köln. Er suchte den Kontakt zur Basis. Er sprach mit den Leitern der Goethe-Institute vor Ort. Während seiner Präsidentenjahre suchte er insgesamt 88 Institute auf der ganzen Welt
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