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Die Bismarcks

Die Bismarcks

Titel: Die Bismarcks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Thies
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keine besondere Schönheit, eher ein Mensch auf den zweiten Blick: warmherzig, natürlich, unprätentiös. Bismarcks vorrangiges Interesse galt daher weiterhin der unerreichbaren Marie, wie auch die Zeilen eines Gedichts verraten, das er für sie im April 1846 verfasste: »Am letzten Dienstag sagten Sie, / es fehle mir an Poesie. / Damit Sie nun doch klar ersehen. / Wie sehr Sie mich da missverstehen. / So schreibe ich Ihnen, Frau Marie / in Versen, gleich des Morgens früh.«
    Die Religionsdebatten gingen weiter. Die Blanckenburgs versuchten, auch in Anwesenheit von Johanna, Bismarck für den Glauben zu gewinnen. Aber Marie verlor dabei ihr Ziel nicht aus den Augen, die Freundin mit dem Mann zusammenzubringen, den sie nicht lieben durfte, und diese Beziehung gleichzeitig auf ihre Weise zu »kontrollieren«. Zwei Jahre später reisten die Blanckenburgs im Sommer 1846 in den Harz und luden Bismarck und Johanna dazu ein. Drei Wochen war die Gruppe unterwegs. In einem Brief an ihre Mutter teilte Johanna ihre Eindrücke von einem Abend mit: »Es war so still und wundervoll, Marie und ich so aufgeregt, dass wir an kein Schlafen denken, und sprechen und schreiben bis tief in die Nacht hinein.« 26 Das Gemeinschaftserlebnis, die Nähe zu Johanna, die Möglichkeit, sie unbefangen zu studieren, hatten für Bismarck Folgen. Er entschloss sich bald darauf, um ihre Hand zu bitten. Aber es bedurfte eines Auslösers oder Anlasses.
    Er kam in Gestalt einer Tragödie, die Bismarcks Gefühls- und Glaubenswelt radikal veränderte. Pommern wurde von einer Typhus-Epidemie erfasst. Maries Mutter und einer ihrer Brüder starben. Auch Marie, mittlerweile selbst Mutter eines Kindes, erkrankte. Nach drei Wochen war sie nicht mehr zu retten. Bismarck erhielt die Nachricht von ihrem Tode am 10.   November 1846 in Schönhausen und weinte. »Dies ist das erste Herz, das ich verliere, von dem ich wirklich weiß, dass es warm für mich schlug«, schluchzte er. Tief beeindruckt vom Verlust der Freundin, die er Zeit seines Lebens nicht vergaß und die sein Frauen- und Schönheitsbild prägen sollte, vollzog er einen Bruch mit seiner Vergangenheit und bekannte sich zum christlichen Glauben. »Jetzt glaube ich an eine Ewigkeit – oder es hat auch Gott die Welt nicht erschaffen«, schrieb er. Allerdings war er weit davon entfernt, zum frömmelnden Pietisten zu werden, wie man sie in Pommern so häufig fand. Bismarcks Glaube war ein Tatchristentum. 27 Das Verhältnis der Bismarcks zu Moritz von Blanckenburg blieb zeitlebens eng. In Briefen nannte Moritz seinen Freund später »Ottino«.
    Erschüttert vom Tod der gemeinsamen Freundin, vollzogen sich die Überlegens- und Entscheidungsprozesse bei Bismarck und Johanna von Puttkamer nun noch schneller. Mitte Dezember 1846, vier Wochen nach dem einschneidenden Ereignis, beschlossen sie, sich zu verloben. Am Weihnachtsabend 1846 traf auf dem Gut Reinfeld, im östlichen Hinterpommern gelegen, bei den Puttkamers ein Brief ein. Bismarck hatte ihn in einem kleinen Stettiner Hotel geschrieben. »Ich beginne dieses Schreiben damit«, heißt es dort, »dass ich Ihnen von vornherein seinen Inhalt bezeichne: es ist eine Bitte um das Höchste, was Sie auf dieser Welt zu vergeben haben, um die Hand Ihrer Tochter.« 28 Johannas Vater war entsetzt: »Es ist mir wie dem Ochsen, den der Fleischer mit dem Beile vor den Kopf schlägt«, rief er, dabei im Zimmer auf- und abgehend. Die auch nach der ersten Schrecksekunde noch anhaltende Skepsis der Eltern versuchte Bismarck mit einem zweiten Brief zu zerstreuen. Als das nicht half, reiste er zu den Puttkamers und schloss Johanna vor ihren Augen in die Arme. Das wirkte: Die Puttkamers gaben ihren Widerstand binnen weniger Minuten auf. Die Verlobung fand am 12.   Januar 1847 statt, die Hochzeit am 28.   Juli 1847. Danach unternahm das Paar eine zweimonatige Hochzeitsreise, die über Schönhausen nach Prag und Wien, Venedig und Mailand, Genf und Interlaken und schließlich über Freiburg, Heidelberg und Köln zurück nach Hause führte. (In diesen Monaten wurde auch der Passagierverkehr zwischen Bremen und New York aufgenommen.)
    Eine große Partie machte Bismarck nicht. Johanna war das einzige Kind des Kreis- und Landtagsabgeordneten Heinrich von Puttkamer und seiner Frau Luitgarde Agnese von Glasenapp. Seinem Bruder Bernhard schrieb Otto: »Im übrigen glaube ich ein großes und nicht mehr gehofftes Glück gemacht zu haben, indem ich, ganz kaltblütig gesprochen, eine Frau

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