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Die Bismarcks

Die Bismarcks

Titel: Die Bismarcks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Thies
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von seltenem Geist und seltenem Adel der Gesinnung heirate, dabei sehr liebenswürdig und facile à vivre wie ich nie ein Frauenzimmer gekannt habe.« 29 Die Ehe, die Bismarck endgültig Halt im Leben verschaffte, sollte 48   Jahre lang Bestand haben, bis zum Tod von Johanna im Jahre 1894.
    Der Weg in die Politik
    Die Konsolidierung des Privat- und Berufslebens von Bismarck fiel in eine Zeit, in der sich binnen weniger Jahre vieles in Deutschland veränderte. Immer sichtbarer wurden die Folgen der industriellen Revolution, die mit der Agrarrevolution einherging. Der Aufstand der schlesischen Weber im Jahre 1844 war kein isoliertes Ereignis, überall in Preußen gab es in diesen Jahren Hungerrevolten. Das Bevölkerungswachstum beschleunigte sich, aus den Ackerstädten Preußens wurden Großstädte. In dieser Zeit bildeten sich Ansätze von Parteigruppierungen heraus, die Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit zu formulieren versuchten: Konservative, Demokraten und Liberale.
    Für einen Mann wie Bismarck, der seit Jahren bei privaten Treffen im Mittelpunkt des Geschehens stand, war es nur eine Frage der Zeit, wann er dazu aufgefordert werden würde, sich politisch zu engagieren. Seine öffentliche Wahrnehmung in der Altmark war durch das Amt des Deichhauptmanns noch gewachsen. Nach der Richtungsentscheidung zu Beginn seines Studiums, sich einem schlagenden Corps anzuschließen, nicht einer Burschenschaft, nach den prägenden Jahren als Junker auf Gütern in der Mark und in Pommern lag es nahe, dass er seine politische Heimat bei den preußischen Konservativen finden würde, genauer gesagt bei den pommerschen Pietisten rund um den Gutsbesitzer von Thadden-Trieglaff. Man kannte sich bereits seit der Zeit, als man Fragen des Glaubens erörtert hatte. Nun wurden die Gespräche politisch. Neben den frühen Förderer Bismarcks, von Bülow-Cummerow, auch als Publizist weit über Pommern hinaus bekannt, sowie den pietistischen Kreis um Thadden-Trieglaff traten nun Senfft von Pilsach, ein Schwager von Thaddens, sowie die beiden Gerlach-Brüder auf. Auffällig war, dass all diese Männer, die Bismarck den Weg in die Politik ebneten, deutlich älter als er selbst waren, also gestandene Männer auf dem Höhepunkt ihrer beruflichen Karriere. Und sie gehörten zur Kamarilla, sie hatten unmittelbaren Zugang zu den königlichen Kreisen, in einem Fall sogar mit direktem Kontakt zu Friedrich Wilhelm IV.
    Senfft war Besitzer eines pommerschen Gutes in Gramenz. Der König hatte den Agrarfachmann mit Entwässerungsaufgaben betraut. Später wurde er Oberpräsident in Pommern. Ludwig von Gerlach stammte aus einer traditionsreichen preußischen Familie und war in zweiter Ehe mit Luise von Blanckenburg verheiratet, also Thadden verwandtschaftlich verbunden. Das traf auch für Senfft zu, der mit einer von Oertzen verheiratet war und somit Schwager sowohl von Thadden als auch von Gerlach war. Ludwig von Gerlach war zu dieser Zeit Präsident des Oberlandes- und Appellationsgerichts in Magdeburg. Sein Bruder Leopold diente als Generalmajor in Berlin und galt als Freund und Vertrauter des Königs. Ergänzt wurde dieser Kreis um Friedrich Julius Stahl, einen zum Protestantismus konvertierten jüdischen Professor für Rechtsphilosophie, Staats- und Kirchenrecht. Stahl wurde der Begründer einer konservativ-monarchistischen Staatsrechtslehre in Deutschland.
    Bismarck bekam seine erste Chance zu preußenweiter Wahrnehmung, als der König Anfang 1847 ein Versprechen seines Vaters wahrmachte und den Vereinigten Landtag einberief. Es handelte sich um eine Versammlung von 600   Männern, zusammengesetzt aus den drei Ständen der Ritterschaft, der Städte und Landgemeinden sowie den Prinzen, Fürsten und Grafen. Während der mehrmonatigen Session in Berlin entwickelte diese Versammlung eine Eigendynamik, es waren die Anfänge einer Parteienkultur. Vor allem die aus dem Westen Preußens angereisten Delegierten und hier besonders die Liberalen verstanden es, rasch Netzwerke aufzubauen, Absprachen mit politisch Gleichgesinnten zu treffen und dank ihrer hervorragenden Redner die Tagesordnung zu beherrschen. Die Konservativen waren irritiert.
    Der eigentliche Anlass der Zusammenkunft, die der König am 11.   April 1847 mit einer improvisierten halbstündigen Rede eröffnete, bestand darin, eine parlamentarische Legitimation für Steuererhöhungen und den Ausbau des Eisenbahnnetzes zu erhalten. Konkret ging es um die sogenannte Ostbahn, eine Verbindung

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