Die Bismarcks
ordentliche Buchhaltung sorgten für einen reibungslosen Betrieb. Dank der Einnahmen aus dem Getreideexport, der ländlichen Industrie und staatlicher Zahlungen, die in dieser Zeit aufgrund des sogenannten Ablösungsgesetzes erfolgten, verfügte Bismarck wie die anderen Junker auch nun über Kapital, das in Staatsanleihen, Eisenbahnaktien und Industrieunternehmen angelegt wurde. 32
In Schönhausen war am 21. August 1848 sein erstes Kind geboren worden: Marie. Die Familie kam nun nach Berlin und wohnte zunächst in der Behrenstraße, später, in immer noch beengten Verhältnissen, in der Dorotheenstraße. Dort kam am 28. Dezember 1849 Bismarcks ältester Sohn Herbert auf die Welt, gefolgt von Wilhelm, der am 1. August 1852 in Frankfurt am Main geboren wurde. Beide Söhne wurden später Juristen und kämpften als Leutnants im deutsch-französischen Krieg von 1870/71, in dem Herbert schwer verwundet wurde. Er wurde später Diplomat, Staatssekretär im Außenministerium und enger Mitarbeiter seines Vaters. Wilhelm, genannt Bill, machte Karriere als Politiker und Landwirtschaftsexperte und wurde Oberpräsident von Ostpreußen.
Marie blieb zur Enttäuschung ihres Vaters unter ihren Möglichkeiten. Bismarck, der sie sehr liebte, aber hart im Urteil über sie war, sagte einmal, dass sie einen »merkwürdig engen Interessenkreis« habe und Menschen außerhalb der eigenen Familie nicht wahrnehme. Marie sei »innerlich essentiell faul, daran liegt es«. 33 Ein Besucher beschrieb sie später als nicht sehr groß und sehr mädchenhaft, mit einem offenen, heiteren Gesicht, nicht sehr hübsch, aber lieblich. Der Gast fand Marie in der Unterhaltung lebhaft. Sie habe große, tief liegende, dunkelgraue Augen und eine klangvolle, fröhliche Stimme. Wenn kein Besuch da war, spielte Marie gern mit Meerschweinchen. Wahrscheinlich war sie emotional sehr einsam, zwischen dem geliebten, hyperaktiven Vater und einer sich auf ihr Hausfrauendasein beschränkenden Mutter eingeklemmt. Sie heiratete mit Ende 20 Kuno Graf zu Rantzau, einen Diplomaten und engen Mitarbeiter ihres Vaters.
Binnen kürzester Zeit wurde Bismarck nun Berufspolitiker. Mit Glück schaffte er im Juli 1849 den Einzug in das neue Parlament, das nach dem Dreiklassenwahlrecht zustande gekommen war. Bei aller taktischen Beweglichkeit, mit der er fortan Freund und Feind irritierte, hatte er eine Handvoll Überzeugungen und Grundsätze: Der Staat war für ihn das historisch gewachsene Preußen, die Aristokratie der Adel mit Grundbesitz, das Heer das Königsheer des absolutistischen Herrschers, die Bürokratie das aufgeklärte Beamtentum und die Kirche die preußische Landeskirche unter dem Dach der Krone. Gleichzeitig entfernte er sich von jenen Grundsätzen und Prinzipien, die ihn Jahre zuvor mit den hochkonservativen Kreisen Preußens zusammengebracht hatten. Dazu gehörte die Grundüberzeugung, dass die konservativen Mächte Europas unter allen Umständen zusammenarbeiten müssten, um gemeinsam die Gefahr abzuwehren, die vom revolutionären Frankreich ausging. Der Nachbar im Westen war für die preußischen Konservativen das Zentrum des Bösen schlechthin.
Angesichts der Diskussionen über die künftige Gestalt Deutschlands in der Frankfurter Paulskirche kam es Zug um Zug zu einer wachsenden Besorgnis der internationalen Staatengemeinschaft über die Entwicklungen im Zentrum Europas. Sie waren eine Folge der utopischen Pläne, die in Frankfurt diskutiert wurden. Linke wie Rechte träumten von einem deutschen Imperium, das unter Einschluss der Schweiz, den Niederlanden, Skandinaviens und Südeuropas von der Nordsee bis zur Adria reichen sollte. Das Neue daran war, dass sich diese revolutionären Prozesse nicht wie in Frankreich innerhalb eines Staates abspielten, sondern dass die europäische Landkarte umgestülpt zu werden drohte.
Georg Beseler, ein Jurist und Abgeordneter der Paulskirche, erklärte im Mai 1849 stellvertretend für viele Parlamentarier, im deutschen Volk sei das Bedürfnis nach Einheit geweckt, »welches namentlich ein Bedürfnis der Macht ist. Meine Herren! Die deutsche Bewegung ist vorgedrungen bis an das Meer, und die Seeluft, meine Herren, welche von dort her weht, wird über die deutschen Lande eine Frische verbreiten und stärkend und belebend auf unsere Zustände einwirken. Meine Herren! Es ist das Bedürfnis nach Macht und einer Weltstellung, welches durchaus mit dem Streben nach Einheit verbunden ist, und damit wir dieses erreichen,
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