Die Bismarcks
von Berlin nach Ostpreußen als Antwort auf den strategischen Ausbau des Eisenbahnnetzes in Frankreich. Militärs wie der spätere preußische Generalstabschef von Moltke hatten erkannt, dass die Entscheidung im modernen Krieg durch Transportmittel, durch die rasche Verlegung von Truppen per Bahn, fallen würde. 30 Aber der preußische Landtag spielte nicht mit und verweigerte dem König die Zustimmung für eine Anleihe. Bei dieser Gelegenheit fiel durch den Abgeordneten Hansemann der berühmte Satz: »Beim Geld hört die Gemütlichkeit auf.« Das Parlament scheiterte seinerseits mit dem Plan, ständige Sitzungen durchzusetzen.
Bismarck, der im Weißen Saal des Berliner Schlosses wiederholt das Wort ergriff, hinterließ in dieser frühen Phase als Politiker keinen besonderen Eindruck. Er hatte einen schwachen Beginn, vergaloppierte sich bei historischen Vergleichen, irritierte seine Unterstützer und verärgerte vor allem die Liberalen mit starken Sprüchen. Es hat den Anschein, als hätte er etwas von der Maßlosigkeit seines Junggesellendaseins in die Politik mitgenommen. Die eigenen Reihen kamen bei seinem Tempo, den Anspielungen und Wortwitz auch nicht mit. Bismarck musste zur Kenntnis nehmen, dass es ihm an Erfahrung fehlte, dass die Spiel- und Projektionsfläche größer geworden war und dass er vor allem auf die Langsamen im eigenen politischen Konvoi Rücksicht zu nehmen hatte. Aber er lernte rasch.
Der Landtag wurde im Juli 1847 wieder geschlossen. Es sah nach einer politischen Pattstellung aus. Dann kam das Revolutionsjahr 1848, zunächst die Februar-Revolution in Paris, die den Bürgerkönig Louis Philippe hinwegfegte, dann, im Abstand von wenigen Wochen, die revolutionären Vorgänge in Wien und Berlin. Sie brachten zunächst erhebliche Geländegewinne für die politisch nach vorne drängenden Kräfte: Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit, dann auch Parlamente, die Paulskirche in Frankfurt und die preußische Abgeordnetenversammlung. Der zweite preußische Landtag, zu dem Bismarck ebenfalls gehörte, wurde nach wenigen Wochen aufgelöst. Für die Frankfurter Nationalversammlung kandidierte Bismarck nicht, und auch für einen Einzug in die preußische Nationalversammlung rechnete er sich nur wenige Chancen aus. Stattdessen startete er eine Sammlungsbewegung von Junkern in Pommern.
Im Frühjahr 1849 beschloss die von den Liberalen dominierte Paulskirchen-Versammlung eine Reichsverfassung. Friedrich Wilhelm IV. wurde die Kaiserkrone angeboten, er lehnte jedoch ab, weil er kein Monarch von Volkes Gnaden sein wollte. Die sogenannte kleindeutsche Lösung sah eine politische Union ohne Österreich vor. Nun kippte der mit großen Hoffnungen begonnene Demokratisierungsprozess. Teile der Bewegung, vor allem in Sachsen, Baden und in der Pfalz, radikalisierten sich. Die im ersten Anlauf überrollten Institutionen, allen voran die Monarchie, spielten nach längerem Zögern und Zurückweichen vor den Forderungen der Protestierenden die entscheidende Karte in der Auseinandersetzung aus: das Militär. Es wurde zum Instrument der Unterdrückung gegen die freiheitlichen Bestrebungen in Deutschland. Gleichzeitig formierten sich die konservativen Kräfte in Preußen, vor allem in Pommern und in der Mark, die 1847 beim Vereinigten Landtag noch uneinig und unvorbereitet gewirkt hatten.
Die Folge dieses Umschwungs war, dass das deutsche Bürgertum für lange Zeit als Motor des politischen Fortschritts ausfiel. Es suchte Schutz bei den alten Institutionen und Mächten. Die Tragödie der Revolutionäre bestand darin, dass sie mit der gleichzeitigen Herausbildung eines Verfassungsstaats und eines deutschen Nationalstaats überfordert waren. So unterblieb die Parlamentarisierung der preußischen Monarchie bis 1918. Bismarck war bei diesem Konflikt eine Randfigur. Er neigte zunächst zum Draufgängertum, als der König vor dem Berliner Straßenprotest zurückwich, wurde dann aber vorsichtiger. 31 Ende 1848 war der Machtkampf entschieden, die von Berlin nach Brandenburg verlegte Nationalversammlung wurde aufgelöst.
Nachdem Bismarck im Februar 1849 im Wahlkreis Zauche-Belzig-Brandenburg ins Abgeordnetenhaus gewählt worden war, entschloss er sich, Schönhausen zu verpachten. Der Besitz warf inzwischen Gewinne ab. Bismarck war wie andere Grundbesitzer auch längst ein Kleinindustrieller mit dem Betrieb von Brauereien, Destillerien, Sägemühlen, Papiermühlen und Zuckerraffinerien geworden. Qualifiziertes Personal und eine
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