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Die Bismarcks

Die Bismarcks

Titel: Die Bismarcks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Thies
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Soldaten aufzustocken, die Dienstzeit auf drei Jahre zu verlängern und wesentlich mehr Wehrpflichtige als bisher einzuziehen. Obwohl sich die Kosten für diese Heeresverstärkung in einem überschaubaren Rahmen hielten, war der preußische Landtag, allen voran die Liberalen, gegen diese Reform. Dabei hatte sie viele Vorteile, u.   a. das Ende der Einberufungen für ältere Reservisten, die zumeist Familienväter waren. Das Parlament wollte hingegen seine Rolle gegenüber dem Monarchen verstärken und am Gedanken eines Volksheeres festhalten, der starken Rolle der Landwehr seit den Napoleonischen Kriegen. Der Heereskonflikt wurde nun zum Verfassungskonflikt. In den Jahren 1860/61 war es zweimal zu einer vorläufigen Genehmigung der Heeresausgaben gekommen, die zu einer Spaltung der Liberalen geführt hatte. Bei den Wahlen im Mai 1862 hatte die Opposition, nun auf zwei Parteien verteilt, zwei Drittel der Parlamentssitze gewonnen.
    Zwei Tage nach seiner Ernennung schrieb Bismarck an seine Frau: »Du wirst aus den Zeitungen unser Elend schon ersehen haben. Ich … werde Ministerpräsident und übernehme später auch das Auswärtige … Das alles ist nicht erfreulich und ich erschrecke jedesmal darüber, wenn ich des Morgens erwache. Aber es muss sein. Ich bin nicht im Stande, Dir jetzt mehr als diese Zeilen zu schreiben, ich bin umlagert von allen Seiten mit Geschäften jeder Art und kann Berlin in den nächsten Wochen nicht verlassen. Herzliche Grüße an Eltern und Kinder, und ergib Dich in Gottes Schickung, leicht ist die Sache mir ohnehin nicht.«
    Kaum jemand nahm in Preußen zur Kenntnis, dass Bismarck als ein ganz anderer Mann in die Innenpolitik zurückgekehrt war. Die mehr als zehn im Ausland verbrachten Jahre hatten ihn verändert, hatten ihm einen Überblick über die internationalen Verhältnisse verschafft, den außer ihm niemand besaß. Aber die alten Etikettierungen vom stockreaktionären, tumben Landjunker klebten zäh an ihm. Die Liberalen nahmen die Berufung Bismarcks als »lustiges Zwischenspiel« zur Kenntnis. Die Berliner Allgemeine Zeitung spottete: »Als Landedelmann von mäßiger politischer Bildung … begann er seine Laufbahn, … aber wann hätte er einen politischen Gedanken geäußert?« Der bekannte Publizist Ludwig August von Rochau kommentierte, mit Bismarck »sei der schärfste und letzte Bolzen der Reaktion von Gottes Gnaden verschossen«. Der Literaturwissenschaftler Georg Heym nannte Bismarck einen »wahnsinnigen und frivolen Premier«. Deutlicher und ernster nahm die katholische Presse Bismarck als Gegner wahr. Und der französische Außenminister schrieb an seinen Gesandten in Wien: »Wenn er die Kunst, sich zu mäßigen, erwirbt, wird er eine bedeutende Rolle spielen.«
    Der Chor der deutschen Kritiker konnte sich bestätigt sehen, als Bismarck wenige Tage später bei einer Zusammenkunft mit der Budgetkommission des Abgeordnetenhauses einen folgenschweren taktischen Fehler beging. Seine Liebe zu Aphorismen trieb ihn so weit, dass es zu einem schwerwiegenden Missverständnis kam. Bismarck konterkarierte seinen Versuch, mit den Parlamentariern ins Gespräch zu kommen, mit der Bemerkung: »Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden – das ist der große Fehler von 1848 und 1849 gewesen – sondern durch Eisen und Blut.« 45 Alle Kritiker Bismarcks sahen sich daraufhin in ihrer Ansicht über den neuen Regierungschef bestätigt. Selbst Roon meinte auf der Rückfahrt, solche »geistreichen Exkurse« seien der eigenen Sache wenig förderlich. Bis zum heutigen Tage haftet Bismarck dieser Satz an, auch deswegen, weil er in seinen Memoiren eine Umstellung vornahm, »Blut« vor »Eisen« setzte.
    Demonstrativ bezog Bismarck bereits Mitte Oktober 1862 eine Dienstwohnung in der Wilhelmstraße 76, dem Sitz des Auswärtigen Amtes. Er regierte nun ohne Budget und legte dem Abgeordnetenhaus im Januar 1863 eine staatsrechtliche Begründung dafür vor, die sogenannte Lückentheorie. Sie besagte, dass die Verfassung unklar in der Frage sei, wer nachgeben müsse, wenn Krone, Herren- und Abgeordnetenhaus sich nicht einigen könnten. Anstatt den Verfassungskonflikt an anderer Stelle zu entschärfen, spitzte Bismarck ihn also zu. Die Beamten wurden im Sinne der Krone diszipliniert und die Presse gegängelt. Dabei ließ sich schnell feststellen, ob sich die Bürokratie im Sinne der Staatsmacht zuverlässig verhielt.
    Die Repressionsmaßnahmen, die nicht

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