Die Bismarcks
lange andauerten und einige Monate später unter dem Triumphgeheul der Opposition zurückgezogen werden mussten, riefen weitere Intimfeinde von Bismarck innerhalb der königlichen Familie auf den Plan: den Kronprinzen, den späteren Kaiser Friedrich III., und seine Frau Victoria, die Tochter der englischen Königin Victoria. Bismarck hatte eine feine Witterung für die Lage. Zwei Jahre zuvor hatte er dem früheren preußischen Staatsminister von Auerswald geschrieben, »dass der beste menschliche Wille nichts vermag gegen die Witterungsverhältnisse des politischen Horizontes«. 46 Nun, nach seinem ersten Ministerjahr, kam es ihm vor, als wäre er in wenigen Monaten um 15 Jahre gealtert.
Obwohl es innenpolitisch für Bismarck genügend Baustellen gab, prägten die Außenpolitik und hier vor allem das Fernduell mit Österreich von Beginn an seine Arbeit. »Auswärtige Konflikte suchen, um über innere Schwierigkeiten hinwegzukommen«, hatte die Berliner Allgemeine Zeitung Bismarck nach seiner »Blut-und-Eisen-Bemerkung« vorgeworfen. Dieser Ruf hing ihm nun an, und Bismarck tat in nächster Zeit alles, um ihn zu verstärken. Er konnte damit ganz andere Absichten und Ziele verschleiern. Ein Teil der Liberalen, das wusste er, war gegenüber seinen außenpolitischen Vorstellungen nämlich durchaus aufgeschlossen.
Wien strebte zu diesem Zeitpunkt eine Justizreform im deutschen Bund an. Bismarck verhinderte mit allerlei Tricks die Einberufung der Delegiertenversammlung. An der Jahreswende 1862/63 erkundigte er sich, wie sich Frankreich und Russland im Konfliktfall Preußens mit Österreich verhalten würden. Die Antworten waren nicht ermutigend. Daraufhin erhöhte Bismarck den Einsatz und schlug Wien eine Bundesreform mit einem Parlament vor, das auf allgemeinem Wahlrecht beruhen sollte. Die Ablehnung brachte Österreich endgültig in eine diplomatische Außenseiterposition. Gleichzeitig näherten sich Frankreich, England und vor allem Russland an Preußen an.
Die Verbindung zu Russland wurde noch enger, als Anfang 1863 in Polen ein Aufstand losbrach. Erneut spielte Bismarck den Hardliner. Echt war allerdings seine antipolnische Einstellung. »Haut doch die Polen, dass sie am Leben verzagen«, hatte er zwei Jahre zuvor an seine Schwester geschrieben. Preußen war alarmiert, weil ein unabhängiges, demokratisches Polen die Frage der Teilungen des Landes aufgeworfen und eine Herausforderung für die Monarchie und den ostelbischen Landadel bedeutet hätte. Ähnlich sah man die Lage in Russland. Um den Einfluss liberaler Kreise in St. Petersburg zu begrenzen, die für eine gewisse Autonomie Polens im russischen Staatsverband eintraten, entsandte Bismarck Gustav Graf von Alvensleben, den Generaladjutanten des Königs, zum Zaren. Es kam zum Abschluss einer Konvention, die eine gegenseitige Unterstützung bei der Bekämpfung der polnischen Aufständischen vorsah, unabhängig vom Grenzverlauf.
Mit äußerster Brutalität gingen die Russen nun gegen den Aufstand vor, dessen Anführer später in Warschau hingerichtet wurden. Das liberal gesinnte Europa und nahezu alle Mächte hatten die Entwicklung mit Sympathie und Entsetzen über den Ausgang verfolgt. Bismarck schloss den Vorgang nach dem Grundsatz ab, »dass unter zwei Übeln das kleinere zu wählen ist, und dass die Sorge für die Sicherheit eines Landes den Plänen für sein Gedeihen vorausgeht«. 47 Für die deutsch-russischen Beziehungen bildete die Alvensleben’sche Konvention den Auftakt zu einem Bündnis der Monarchen, das bis zum Vertrag von Björkö im Jahre 1905 hielt.
Die vorübergehend erlangten außenpolitischen Vorteile wurden durch erhebliche Nachteile erkauft. Das Verhältnis von Preußen zu Frankreich war nun belastet, Österreich stand urplötzlich als Hort liberaler Ideen da. Noch viel schwerwiegender waren die Auswirkungen auf die Innenpolitik. Hier spitzten sich die Zustände im Verlauf des Jahres 1863 weiter zu. Jeder Versuch, mit der Opposition ins Gespräch zu kommen, wurde kolportiert und damit im Keim erstickt. Zum Glück für Bismarck standen ihm keine geschlossenen Parteiformationen gegenüber, sondern viele Einzelgänger. Innerhalb des Spektrums ihrer Parteien veränderten sie ihre Position oder verließen sie sogar zugunsten einer anderen.
Eine Zeit lang war Bismarck sogar bereit, die Kernforderung seines Monarchen zu opfern und der Opposition die zweijährige Militärdienstzeit anzubieten. In der Sache konnte es gegen sie keine
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