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Die Bismarcks

Die Bismarcks

Titel: Die Bismarcks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Thies
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Einwände geben. Kein Zweifel, Bismarck operierte zu dieser Zeit mit Ideen, die an die Herrschaftspraxis von Napoleon III. , dem sich herausbildenden Gegenspieler, erinnerten. Im Oktober 1863 löste er den Landtag auf.
    Oft stand Bismarck auch seine nicht abebbende Rauflust im Wege. Sie stand in einem merkwürdigen Kontrast zu dem kleinen Kopf auf mächtigem Körper, der dünnen Fistelstimme und dem stockenden, suchenden Redefluss bei Parlamentsauftritten. Nach den im Jahre 2011 entdeckten Tondokumenten muss der Eindruck der Zeitgenossen über den Redner jedoch leicht korrigiert werden. Manchem Beobachter fielen übrigens die schönen Hände auf, mit denen Bismarck seine Worte gekonnt untermalte.
    Besonderes Aufsehen erregten die Gespräche, die Bismarck im Frühjahr und Sommer 1863 mit Ferdinand Lassalle, dem Präsidenten des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, führte. Bismarck kam zu dem Schluss, dass er das Potenzial dieser Arbeiterpartei, dem Vorläufer der SPD , auf absehbare Zeit für seine Ziele nicht nutzen könne, obwohl er Lassalle persönlich schätzte. Rückblickend hat er über ihn einmal gesagt, einen Mann dieses Formats hätte er gern »als Gutsnachbar«. Bismarck hatte im Übrigen das Glück, anders als Lassalle ein Jahr später, nicht bei einem Pistolenduell zu sterben. Bereits 1852 hatte er sich mit dem Abgeordneten Georg von Vincke duelliert. Beide Kontrahenten blieben unverletzt. Im Sommer 1865 bot er Rudolf von Virchow, dem liberalen Politiker und berühmten Pathologen, nach einer stürmisch verlaufenen Parlamentssitzung erneut ein Duell an. Aber Virchow lehnte ab.
    Aus der hoffnungslosen innenpolitischen Pattsituation, immer mit der Frage verbunden, wie lange der König dem Treiben noch zusehen würde, befreite Bismarck das Wiederaufflammen der schleswig-holsteinischen Frage. Sie hatte 1848 entscheidend zum Scheitern der Bemühungen zur Gründung eines deutschen Nationalstaats beigetragen. Die damals begangenen Fehler wollte Bismarck dieses Mal unter allen Umständen vermeiden. Es kam darauf an, die anderen europäischen Mächte aus dem sich anbahnenden Konflikt herauszuhalten und den Prozess von Berlin aus zu steuern. Ansatzpunkt war das sogenannte Londoner Protokoll, in dem die Schleswig-Holstein-Frage 1852 geregelt worden war.
    Mit dem Beschluss des dänischen Reichstags, Schleswig in den Staatsverband einzuverleiben, und dem Tod des kinderlosen dänischen Königs Frederik VII. wurde das Paket wieder aufgeschnürt. Österreich, neben Preußen und Dänemark einer der Signatarstaaten, bestand auf voller Einhaltung des Protokolls. Bismarck tat dies auch, aber nur aus taktischen Gründen, denn er erkannte die Chancen, die sich aus dem Bruch des Londoner Protokolls durch den neuen König Christian IX. von Dänemark ergaben. Österreich und Preußen gingen am 1.   Februar 1864 gemeinsam militärisch gegen Dänemark vor. Sie besetzten die Herzogtümer Schleswig und Holstein und große Teile Jütlands. Auf einer internationalen Konferenz in London gelang es Dänemark während einer Waffenstillstandsphase nicht, die englische Regierung auf seine Seite zu ziehen, der Krieg ging nun weiter. Dänemark musste am Ende die beiden Herzogtümer sowie Lauenburg abtreten.
    Bismarck hatte sein erstes außenpolitisches Meisterwerk abgeliefert: den Ausbau der Machtstellung in Norddeutschland. Dabei hatte er eine bemerkenswerte Flexibilität in der Vorgehensweise gezeigt, die er in dem Bild von einer Schnepfenjagd zusammenfasste, »bei der man sich auf sumpfigem Gelände immer erst der Tragfähigkeit des nächsten Grasbüschels versichern müsse, ehe man es wagen dürfe, den nächsten Schritt zu tun«. Zum Dank erhielt Bismarck vom König den preußischen Grafentitel. Preußen und Österreich übernahmen gemeinsam die Verwaltung der beiden Herzogtümer. Wien kontrollierte Holstein, Berlin Schleswig. Der komplizierte Verwaltungsaufbau bot mannigfache Möglichkeiten, Konflikte zu produzieren. Bismarck war seinem Ziel, Österreich aus Deutschland herauszudrücken, sehr nahe gekommen. Aber er rechnete in größeren Zeiträumen. Es kam nun darauf an, den günstigsten Zeitpunkt für ein Zusammengehen der deutschen Nationalbewegung mit preußischen Großmachtinteressen zu definieren. Das geeignete Instrument dafür war Bismarcks erneuertes Angebot, ein deutsches Nationalparlament einzuberufen. Mit dieser Offerte zielte er auf jenen Teil der deutschen Liberalen, die machtpolitisch ähnlich wie er selbst dachten, der

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