Die Bismarcks
Fallen aufgestellt und Paris Hoffnungen auf linksrheinische Gebiete gemacht. Schon zwei Jahre später, am Tage des Präliminarfriedens von Nikolsburg, legte der Gesandte Napoleons III. , Graf Benedetti, die Karten auf den Tisch. Paris bestand angesichts des preußisch-deutschen Machtzuwachses auf Kompensationen. Es wollte Landau, das damals zu Bayern gehörte, Teile des Saargebiets und Luxemburg haben. Wenige Tage später gelang es Bismarck, Schutz- und Trutzbündnisse mit den süddeutschen Staaten abzuschließen.
In der Luxemburg-Krise 1867 scheiterte Bismarcks Versuch, die Konflikte beizulegen, indem er mit den Franzosen Kabinettspolitik betrieb und Geheimgespräche führte. Er wollte ihnen nun Luxemburg und Belgien überlassen, um die preußischen Expansionsabsichten nach Süden abzusichern, über den Main hinweg. Durch Indiskretionen kam es jedoch zu einer Empörung der öffentlichen Meinung in Deutschland, die seit langer Zeit frankreichkritisch eingestellt war. Moltke, durch ein Jugenderlebnis in Lübeck geprägt, das 1806 von französischen Truppen erobert und geplündert worden war, plädierte längst für einen Nationalkrieg gegen den Nachbarn. Die Auseinandersetzung mit Frankreich per Waffengang hielt er für unvermeidlich. Die Londoner Konferenz im Mai 1867 führte zu einer leichten Abkühlung der Gemüter. Luxemburg wurde für unabhängig und neutral erklärt. Preußen verpflichtete sich, seine Truppen aus der Bundesfestung abzuziehen. Aber es war nur eine Frage der Zeit, wann der seit der Luxemburg-Krise innenpolitisch zusätzlich angeschlagene französische Kaiser die Konfrontation mit Preußen suchen würde.
Immer öfter zog es Bismarck nun nach Varzin, das von Berlin eine Tagesreise per Bahn entfernt lag, auf den letzten sechs Kilometern nur noch auf sandigen Fuhrwegen erreichbar. Die sich hinziehende Anreise machte dem Reichskanzler jedoch nichts aus. Er war ein begeisterter, Zigarre rauchender Eisenbahnreisender. In Varzin hielt er sich gern in den Kiefern- und Laubwäldern, auf Hügeln und an Seen und damit an »depeschensicheren Plätzen« auf, wie er zu sagen pflegte. Einmal erlitt er einen Reitunfall, als sein Pferd in ein Loch trat, sich überschlug und den Reiter unter sich begrub. Als Bismarck mit Rippenbrüchen nach einiger Zeit aus seiner Bewusstlosigkeit erwachte, waren seine ersten Worte: »Die Pferde dürfen nicht vor mir in Varzin eintreffen, damit Johanna nicht erschrickt.« 1869 war Bismarck fünf Monate lang in Varzin. Er ließ zwei Mitarbeiter, denen er vertraute, dorthin kommen, denn er saß nicht gern allein am Schreibtisch. Auch das Aktenstudium behagte ihm nicht.
Sein gesundheitlicher Zustand verbesserte sich nun. Aber vor zwei oder drei Uhr nachts schlief er nie ein. Dafür blieb er bis zum Mittag im Bett. Von diesem Grundsatz wich er auch bei militärischen Kampagnen nicht ab. Trotz der immer häufigeren Aufenthalte in Varzin empfahlen die Ärzte Bismarck, einen Kuraufenthalt in Biarritz oder Torquay einzulegen. Bismarck entgegnete, er könne sich nicht entschließen, die Strapazen auf sich zu nehmen, »die von Eisenbahnen, Wirtshäusern, fremden Höfen und Menschen, Zeitungsartikeln, Einsamkeit und schlechten Betten unzertrennlich sind. Ich muss viel älter sein, als meine Eltern mir gesagt haben, denn ich habe ganz die Empfindungen des äußersten Greisenalters.« Er war 54 Jahre alt.
Die Kandidatur eines Hohenzollernprinzen für den spanischen Thron bildete dann das Vorspiel zum deutsch-französischen Krieg von 1870/71. Der Verzicht des Bewerbers genügte den Franzosen nicht, sie verlangten eine Entschuldigung des preußischen Königs. Der Monarch lehnte ab. Die sogenannte Emser Depesche löste dann den Konflikt aus. Zwar gelang es den deutschen Armeen, zu denen nun auch die Kontingente der süddeutschen Staaten gehörten, die Franzosen Anfang September 1870 bei Sedan entscheidend zu schlagen. Aber nach der Abdankung von Napoleon III. ging der Krieg weiter. Die Republik rief den Volkskrieg aus. Der schlechte Ruf Bismarcks aus Zeiten des Verfassungskonflikts hatte sich bis zum Gegner herumgesprochen, und so berichtete Bismarck im Hochsommer 1870 seiner Frau: »Die Leute müssen mich hier für einen Bluthund halten, die alten Weiber, wenn sie meinen Namen hören, fallen auf die Knie und bitten mich um ihr Leben. Attila war ein Lamm gegen mich.«
Bismarck sah die Risiken dieser Auseinandersetzung. Er befürchtete ein Ringen, das von einem bestimmten Zeitpunkt an der
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