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Die Bismarcks

Die Bismarcks

Titel: Die Bismarcks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Thies
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anvertraut: »Die Herren am Hofe haben mich niemals als Vollblutpolitiker anerkannt, ich bin in den Augen dieser Leute immer der Sohn einer Bürgerlichen und ein Revolutionär gewesen; denn konservativ sein heißt bei diesen Herrschaften nichts lernen und nichts vergessen, nichts ändern und nichts wandeln.« 57 Auch Bismarck konnte hassen und war bemerkenswert nachtragend.
    Was die Welt über ihn dachte, war ihm gleichgültig. Er fühlte sich durchaus wohl in der Rolle des bestgehassten deutschen Politikers. Während seines gesamten Politikerlebens bezog er Kraft aus dem Gedanken, jederzeit zurücktreten zu können, da er finanziell unabhängig war. Wenn der Druck zu groß wurde, verließ er Berlin, mit dem er sich ohnehin nicht anfreunden konnte, zog sich auf seine Güter zurück und hielt nur noch schriftlichen Kontakt zur Außenwelt. Zunehmende krankheitsbedingte Ausfälle führten dazu, dass er mitunter die Hälfte des Jahres auf dem Lande verbrachte. »Mein Öl ist verbraucht, ich kann nicht mehr«, sagte er im Mai 1872.
    Auf seinen Gütern und bei Kuren kleidete sich Bismarck zivil. Er trug einen langen schwarzen Rock, der mit einem weißen Halstuch abgeschlossen wurde, und einen Hut mit überbreiter Krempe. In Berlin zog er sich trotz seiner Leibesfülle und trotz des Dauerkonflikts mit Moltke seit seiner Beförderung zum Generalmajor im Jahre 1866 eine Uniform an, die zum Amüsement des Generalstabchefs nicht immer vorschriftsmäßig aussah. Darüber hinaus wusste jedes Schulkind im Kaiserreich, welche militärische Formation Bismarck ehrenhalber kommandierte. Es war das im Magdeburgischen stationierte Kürassier-Regiment 7 »Von Seydlitz«. Es hatte bei der Schlacht von Mars-la-Tour, bei der Bismarcks Sohn Herbert schwer verwundet worden war, hohe Verluste erlitten. Bismarck trug gern die blaue Uniform mit dem gelben Kragen und der Schirmmütze mit gelbem Band.
    In Berlin residierte er in einem schmalen, zweigeschossigen Gebäude in der Wilhelmstraße, das im Vergleich zu allen anderen Bauten in der Hauptstraße der deutschen Politik durch seine Schlichtheit auffiel. Lediglich der Wachtposten vor der Tür war ein Hinweis auf den prominenten Bewohner. Im ersten Stock befanden sich die Empfangsräume und die Bismarck’sche Privatwohnung. Wichtig für den Reichskanzler war der große Garten hinter dem Haus mit seinen schattenspendenden Bäumen, in dem er oft spazieren ging. USA -Deutsche hatten ihm 1872 einen exotischen Baum geschenkt, nach dem sich Bismarck beim Gärtner regelmäßig mit den Worten erkundigte: »Nun, Franz, wie geht es der Sycamore?«
    Der Besucher des Hauses klingelte ganz normal an der Tür, die ihm nun geöffnet wurde. Ein Bediensteter geleitete ihn in das Obergeschoss. Dort befanden sich ein wegen seiner Seidentapeten sogenanntes chinesisches Zimmer, ein Billardzimmer, in dem Andenken aufgehoben wurden, ein Empfangssalon, das Schlafzimmer sowie die ehemalige Kapelle, jetzt ein Tanzsaal. Bismarck empfing den Eintretenden dann in seinem kargen, sparsam möblierten Büro, das von einem großen Mahagonischreibtisch dominiert wurde. Gelegentlich machte er sich über die spartanische Ausstattung lustig, änderte aber nichts daran. Einige Jahre später zog die Familie in das wesentlich repräsentativere Nebenhaus in der Wilhelmstraße Nr.   77 um, das Palais Radziwill. In ihrer Innenausstattung beeindruckten Dienstwohnungen und Landsitze der Bismarcks den Besucher in aller Regel nicht. Viele konstatierten danach einen fehlenden Geschmack, lobten aber die Gemütlichkeit und die Ausblicke. Einen gewissen atmosphärischen Eindruck vermittelt noch heute Bismarcks Arbeitszimmer im Museum von Friedrichsruh.
    Im Kontrast zu der Schlichtheit der Häuser und Wohnbereiche stand Bismarcks geradezu gargantueskes Essverhalten, eine Folge seiner Arbeitsbelastung. Zum Frühstück wurden Roastbeef und Beefsteak mit Kartoffeln serviert, weitere Wildgerichte und Geflügel, danach Pudding. Zu trinken gab es Bier, Rotwein und Champagner. Mittags folgte ein Diner mit sechs Gängen, erneut schweres Essen. Gegen Mitternacht wurde Tee gereicht. Kein Wunder, dass der Chef der Reichskanzlei feststellte: »Gegessen wird hier nach wie vor, dass die Wände krachen.« Besonders wichtig waren für Bismarck die Getränke. Als er bei einem Picknick mit Kaiser Wilhelm II. einmal entdeckte, dass dieser aus patriotischen Gründen, wie er sagte, deutschen Schaumwein trank, entgegnete Bismarck: »Bei mir, Majestät, macht der

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