Die Bismarcks
sagen wagte. Mit ähnlicher, vielleicht noch brutalerer Offenheit konferierte Bismarck mit seinen Freunden von der Wehrmacht. Am 22. Juni 1940 fielen die ersten Bomben auf Potsdam. Wenige Wochen später erkrankte Gottfried. Er hatte in Briefen an seine Familie über die immer unbefriedigenderen Arbeitsverhältnisse geklagt und wurde in ein Sanatorium eingewiesen. Die Rückkehr an seinen Arbeitsplatz war vorübergehend ungewiss. Formal gehörte er mit Unterbrechungen bis zum 31. Oktober 1941 der Wehrmacht an. Das Potsdamer Stadthaus in der Spandauerstr. 34, zugleich Wohnsitz der Familie, wurde vom Frühjahr 1941 an mehr und mehr zum Treffpunkt von regimekritischen Gleichgesinnten. Dabei taucht immer wieder der Name Helldorf auf, aber auch General Olbricht und ab 1942 von Stauffenberg.
Nach außen hin blieb Gottfried ein Gefolgsmann des Regimes. Der mit Himmler befreundete Bismarck-Enkel machte vom Mai 1935 an auch bei der SS Karriere. Im Juni 1936 geriet er in eine kritische Lage, als ihn der SA -Gruppenführer Johann Friedrich zu einem Pistolenduell herausforderte. Der SA -Mann hatte sich darüber echauffiert, dass Gottfried in seiner Funktion als Regierungspräsident eine Überprüfung der Pensionsberechnung des im Ruhestand befindlichen Gendarmerieobersten veranlasst hatte. Gottfried, anscheinend auf den Spuren seines Großvaters wandelnd, nahm die Aufforderung zum Duell an, meldete die Sache aber an die vorgesetzte SS -Dienststelle. Ein Ehrenhof trat zusammen und erarbeitete eine Lösung, bei der beide am Ende ihr Gesicht wahren konnten, ohne aufeinander zu schießen.
Himmler bewunderte den Bismarck-Enkel, weil er im Typus genau seinen Vorstellungen von der künftigen »Herrenrasse« entsprach. Gottfried wurde 1933 Untersturmführer, 1938 Obersturmbannführer, was mit dem Rang eines Oberstleutnants korrespondierte, und am 30. Januar 1944 SS -Brigadeführer. In der Wehrmacht entsprach dies dem Rang des Generalmajors. Himmler genehmigte ihm, statt der schwarzen Uniform eine graue zu tragen. Zur Begründung führte der Reichsführer SS in einem Schreiben am 17. Dezember 1943 an, dass Gottfried die Polizei führe und bei Luftangriffen sofort am Schauplatz des Geschehens erscheinen müsse.
Bereits im Herbst 1942 war Gottfried zu einer kritischen Einschätzung seiner künftigen persönlichen Verhältnisse im Osten Deutschlands gekommen. Er veranlasste, dass die Wertgegenstände seines Besitzes, das Familiensilber, Bilder, Antiquitäten und Bücher, eingepackt und nach Schönhausen abtransportiert wurden. Von dort gingen die Kisten gegen Kriegsende nach Friedrichsruh weiter. Nach einem Essen mit Gottfried in Potsdam notierte Ulrich von Hassell am 30. August 1943 in seinem Tagebuch: »Er sieht jetzt klar, aber etwas spät.« Gottfried war äußerst verschwiegen. Was Hassell nicht wusste: Gottfrieds Konversion war wesentlich früher eingetreten.
Die äußerliche Nähe zum Regime verschaffte Gottfried während der Kriegsjahre Spielräume, um jüdische Freunde der Familie zu retten, zumeist auf Bitten seiner Schwester Hannah. 25 Aber auch über sie, diese mutige, vielfach denunzierte Frau, hielt Gottfried seine schützende Hand. So bewahrte er 1943 Otto von Mendelssohn Bartholdy, einen Bekannten von Hannah, vor der Verschleppung. 26 Als diesem im Herbst 1943 die Deportation in ein Konzentrationslager drohte, alarmierte Hannah ihren Bruder. Dieser erfuhr einen Tag später, dass sich Mendelssohn Bartholdy in der Prinz-Albrecht-Straße in Berlin befand und mit einem der nächsten Transporte nach Theresienstadt geschickt werden sollte. Zusammen mit Frau Grafström, der Tochter des Inhaftierten, machte sich der Regierungspräsident am Nachmittag auf den Weg, um Mendelssohn Bartholdy zu retten. Unterwegs stimmten sich die beiden hinsichtlich der Vorgehensweise ab. Am nächsten Tag stand der Verschleppte abends vor der Potsdamer Haustür. Wie durch ein Wunder überlebte er den Krieg und wurde auch nach der Inhaftierung von Gottfried von Bismarck nicht deportiert.
Einen österreichischen Vetter bewahrte Gottfried vor dem Einsatz an der Ostfront. Er hatte auf eine Hakenkreuzfahne uriniert und war dabei ertappt worden. Eine Gräfin Görtz, die sich bereits in Theresienstadt befand, konnte Gottfried ebenfalls aus den Fängen des Regimes befreien. Ihr Sohn Albrecht wurde nach dem Krieg ein berühmter Automobil-Designer. Er schuf u. a. das 507er BMW -Coupé. Tragisch ging die Aktion aus, bei der Gottfried einem
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