Die Bismarcks
Gold-, Silber- und Perlenschmuck abzuliefern.
Im August 1939, in den letzten Wochen vor dem Krieg, hielt sich Otto in Schweden auf.
Wenige Tage nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs deutete Otto in einem Brief an seine Mutter an, dass er von einem Konflikt ausgehe, der lange dauern werde. Anfang November 1939 lud Otto seinen Diplomaten-Kollegen von Hassell zu einem Gespräch ins Auswärtige Amt ein. Hassell notierte anschließend: »Er trug sein Parteiabzeichen nicht und redete höchst kritisch-umstürzlerisch.« Kurz vor Weihnachten 1939 fand in dem Berliner Restaurant Horcher ein Essen statt, an dem neben Otto sein Kollege Hasso von Etzdorf und der schwedische Bankier Jacob Wallenberg teilnahmen. Wallenberg, der bei Berlin-Aufenthalten privat bei Bruder Gottfried wohnte, erhielt die Nachricht, dass Hitler plane, demnächst Dänemark und Norwegen anzugreifen. Er gab diese Information an den schwedischen Außenminister weiter.
Im Gegensatz zu seinem sonst zurückhaltenden Bruder Otto trat Gottfried offensiv an die nationalsozialistische Führungsgruppe heran, zu der er schon 1932 Kontakt aufgenommen hatte. Das sollte sich für ihn nun auszahlen. Die Nationalsozialisten schätzten Gottfrieds Nähe zu einflussreichen Wirtschaftskreisen, sie suchten Kontakt zu diesen Gruppen. Anfang Januar 1933 gab es jedoch eine Krise. Gottfried, idealistisch gesinnt, sympathisierte mit Gregor Strasser, dem Reichsorganisationsleiter der NSDAP, und damit mit der Parteilinken. Gottfried war von Hitler zu diesem Zeitpunkt enttäuscht und berichtete seiner Schwester Hannah bei einem Besuch im Krankenhaus, dass er sich der Strasser-Richtung anschließen wolle. Hannah notierte später Gottfrieds Aussage über Hitler: »He is an impossible fellow.«
Hannah widersprach Gottfried und sagte, dass er mit Hitler gehen müsse, wenn er sich den Nazis anschließe. Gottfried schwankte. Er wusste, dass die Zeit der Strasser-Brüder in der NS -Bewegung vorbei war. Hitler hatte gegenüber Gottfrieds Bruder Otto eine wegwerfende Handbewegung gemacht, als dieser den Namen Strasser bei der Begegnung am 27. Januar 1933 erwähnt hatte. Otto Strasser hatte die NSDAP schon 1930 verlassen. Auslöser für diesen Schritt war ein längerer Disput mit Hitler am 21./22. Mai 1930 gewesen, bei dem jener seine außenpolitischen Absichten offengelegt hatte. »Die nordische Rasse«, so Hitler, »hat ein Recht darauf, die Welt zu beherrschen, und wir müssen dieses Recht der Rasse zum Leitstern unserer Außenpolitik machen.« Das deutsche Interesse erfordere ein Zusammengehen mit England, um »eine nordisch-germanische Herrschaft über Europa und – im Zusammenhang mit dem nordisch-germanischen Amerika – über die Welt aufzurichten«. Der ganze Nationalsozialismus sei nichts wert, wenn er sich nur auf Deutschland beschränken würde »und nicht mindestens 1 – 2000 Jahre lang die Herrschaft der hochwertigen Rasse über die ganze Welt besiegelt«. 24
Hannah, mit dem gerade auf die Welt gekommenen Sohn Leopold-Bill im Arm, wurde bei dem Gespräch mit Gottfried noch deutlicher. Sie sagte dem Bruder, dies sei der entscheidende Moment in seinem Leben. Sie könne nur immer und immer wiederholen: »Hände weg von Hitler und Gregor.« Aber wenn er bei seiner Linie bleibe, müsse Gottfried an Hitler festhalten. »Hitler bedeutet Mord, und warum soll Gottfried von einem Halunken umgebracht werden«, notierte die besorgte, liebevolle Schwester, ahnend, was Gregor Strasser ein Jahr später beim sogenannten Röhm-Putsch bevorstand. Einige Tage später, am 10. Januar 1933, fuhr Gottfried nach Friedrichsruh, um die Lage auch mit Otto zu erörtern. Otto reagierte mit Skepsis. Er glaubte zu dieser Zeit, dass Hitler, einmal an der Macht, rasch durch eine andere Figur abgelöst werden würde. Um diesen Zustand herbeizuführen, müsse das konservative Lager Hitlers Partei massenhaft beitreten.
Gottfried wurde im März 1933 Mitglied des Reichstags sowie im April Landrat und im Juni 1933 NSDAP -Kreisleiter auf der Insel Rügen. Dies blieb sein einziges Parteiamt. Als die jüdischen Geschäfte am 1. April 1933 boykottiert und ihre Läden geplündert wurden, die Scheiben zersplitterten und Menschen blutig geschlagen wurden, war Gottfried auf dem Berliner Kurfürstendamm Augenzeuge der Ereignisse und berichtete dies ohne jede Anteilnahme an seine Mutter. Der britische Faschistenführer Oswald Mosley zeigte sich nach einer Begegnung mit ihm sehr beeindruckt.
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