Die Bismarcks
Gottfried galt als harter Hund. Er erwarb sich aber rasch den Respekt der Bevölkerung, weil er mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen die hohen Arbeitslosenzahlen auf Rügen rasch reduzierte. So ließ er u. a. die Strandpromenade des Badeorts Sellin bauen.
Sein Bekenntnis zu Hitler scheint schwankend gewesen zu sein. Immer wieder suchte er das Gespräch mit Schwester Hannah, und immer wieder stellte ihm die Schwester bohrende Fragen. Im Juni 1934 befand sie, folgt man einer Tagebucheintragung, dass »Gottfrieds Seele intakt« sei. Der Bruch zwischen den beiden Geschwistern war aber nicht länger aufzuhalten. Sie sahen sich immer seltener, das Vertrauen war dahin. Als Gottfried drei Jahre später beruflich nach Potsdam kam, verbesserte sich die Lage ein wenig, weil Hannahs Töchter von dem Tenniscourt profitierten, das sich hinter Gottfrieds Dienstsitz befand. Seinen Nichten blieb er als freundlicher Onkel in Erinnerung.
Die Karriere ging weiter. Am 30. Januar 1935 wurde Gottfried Regierungspräsident in Stettin. Sein Dienstsitz war der vielleicht schönste im damaligen Deutschland, hoch über der Hakenterrasse gelegen, mit Blick auf die Oder und den Hafen. Nach vielen Absagen in letzter Minute wegen Arbeitsüberlastung kam Gottfried nun endlich dazu, seinen Bruder Otto in London anlässlich der Taufe des zweiten Sohnes zu besuchen. Im August/September 1935 absolvierte der Gefreite der Reserve eine Wehrübung. Ende Dezember 1936 erlitt Gottfried bei einem Familienbesuch in Wien eine Nierenkolik, wurde an Ort und Stelle operiert und kam erst Ende Januar 1937 an den Arbeitsplatz in Stettin zurück.
Im März 1937 heiratete der als äußerst charmant beschriebene Jurist und Grundbesitzer seine Cousine Melanie Gräfin Hoyos in Wien. Die Initiative war von ihr ausgegangen. Die 21-jährige Braut war bis 1931 zu Hause erzogen worden und anschließend zwei Jahre in Paris zur Schule gegangen. Ein sechsmonatiger Englandaufenthalt hatte sich angeschlossen. Seitdem lebte die junge Frau abwechselnd auf einem österreichischen Landsitz und in Wien und hatte 1934/35 einen Kinderpflegekurs absolviert. Melanie besaß nach dem Urteil einer Freundin der Familie einen logischen, ziemlich nüchternen, geradezu cartesianischen Verstand. Das Ahnenerbe der SS hatte Bedenken gegen die Verbindung. Mit erheblichem Aufwand brachte Gottfried die Ariernachweise der österreichischen und englischen Teile der Familie bei. Er hatte mit Melanie, die wie ihre Schwägerin Ann Mari zunächst von den Nazis begeistert war, drei Kinder. Tochter Vendeline kam im Dezember 1937 zur Welt, gefolgt von Barbara im Februar 1939 sowie Sohn Andreas im Februar 1941. Die beiden Frauen starben früh, Vendeline 1968, Barbara 1985. Eine Tochter des jüngsten Sohnes Andreas ist Stephanie, die Frau des früheren Bundesverteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg. Sie ist das einzige Kind aus der zweiten Ehe ihres Vaters mit einer Schwedin.
Im Sommer 1938 wechselte Gottfried in gleicher Position von Stettin nach Potsdam, im Hinblick auf den 20. Juli 1944 an einen Ort von strategischer Bedeutung. Im Potsdamer Regierungspräsidium hatte sein Großvater, der spätere Reichskanzler, genau 100 Jahre zuvor als Referendar gearbeitet. Dort war die Entscheidung gefallen, diese Laufbahn endgültig abzubrechen und Landwirt zu werden.
Für den Enkel nahmen nun die Konflikte mit den Gauleitern, die ihre Machtpositionen ausbauten, weiter zu. In Gottfrieds Umfeld traten wieder jene Persönlichkeiten auf, die gemeinsam mit ihm seit 1933 Karrieren im NS -Staat gemacht hatten. Der Unterschied zu der Zeit vor fünf Jahren bestand darin, dass sich diese Personengruppe seit der Blomberg-Fritsch-Krise vom Regime abgewandt und mit Hitler-Gegnern wie dem ehemaligen Generalstabschef Ludwig Beck Kontakt aufgenommen hatte.
Im März 1940 wurde Gottfried als Dolmetscher und Sonderführer im Range eines Oberleutnants zur Wehrmacht einberufen. Er versah bei einer Potsdamer Propagandakompanie in der Luftwaffenabteilung den Dienst und machte den Frankreichfeldzug mit. Er fuhr häufig an die Front. In seiner Dienstvilla im Pariser Vorort Plessis-Robinson gingen viele hohe Offiziere, mit denen Gottfried verwandt war, ein und aus. Einer Tagebuchaufzeichnung seines Dolmetscher-Kameraden Eduard Michaelis zufolge, der 2003 verstarb, kam Gunter d’Alquen, der Herausgeber der SS -Zeitschrift »Das Schwarze Korps«, einmal zu Besuch. Michaelis traute seinen Ohren nicht, was Gottfried d’Alquen zu
Weitere Kostenlose Bücher