Die Bismarcks
Franzosen falsche Papiere beschaffte, um ihm die Rückkehr nach Hause zu ermöglichen. Der junge Mann schloss sich der Résistance an und fiel im Kampf gegen die Besatzer. Gottfried machte sich danach Vorwürfe. Er hatte eine große Sympathie für die in Deutschland Festgehaltenen, da seine Frau Melanie Halbfranzösin und seine Schwiegermutter, eine geborene Loys-Chandieu, Französin war. Melanie erklärte kurzerhand eine Reihe von jungen Fremdarbeitern zu ihren Vettern, um Auskünfte von den Behörden zu erhalten. Hans von Dohnanyi, im Amt Ausland/Abwehr tätig, wurde gebeten, bei der Freilassung des Leutnants de Seynes behilflich zu sein. Als der Lyriker Henri de Vendeuvre bei einem Besuch in Potsdam gefragt wurde, was er eigentlich in Deutschland mache, antwortete er: »Ich fege den Boden im Deutschen Verlag.« Henri fiel im Januar 1945 als Angehöriger der Freifranzösischen Truppen im Elsass.
Hassell bescheinigte Gottfried nach einem Abendessen in Potsdam, dass in seinem Hause ein »fabelhaftes Niveau« herrsche, im Gegensatz zu Berlin, wo die Bekenntnisse zum Regime und der Niveauverlust der Wissenschaft kaum noch zu ertragen seien. »Er selbst ist dabei nett und bescheiden«, fuhr Hassell in seiner Beschreibung von zwei Abenden bei Gottfried fort, »tritt hinter seinen Gästen zurück und versucht die Gesellschaft lebhaft zu gestalten. Sie (Anm. des Vf.: Gottfrieds Frau Melanie) ist ein gutes Element durch ihre österreichische Art, mit Charme und Witz und Leichtigkeit. Den einen Abend war ihre Schwester Alice, die Kunsthistorikerin, da, die ich außerordentlich reizend und recht klug finde …« 27
Eine andere häufige Besucherin des Hauses, die junge, schöne russische Fürstin Marie »Missie« Wassiltschikow, charakterisierte Gottfried so: »Man kann mit ihm über Gott und die Welt reden, er hat für alles Verständnis, aber wenn er von Menschen umgeben ist, die ihn irritieren, scheut er wie ein nervöses Pferd und wird schwierig.« Ihrer Schwester Tatiana, die einen Fürsten Metternich heiratete, fiel auf, dass Gottfried die Gesellschaft junger Menschen bevorzugte, auf der Suche nach einem Gegengewicht zu der »ernsten Seite seines Wesens, die seinen forschenden, praktischen und gleichzeitig unabhängigen Geist prägte«. Tatiana, wie ihre Schwester eine sehr auffällige Erscheinung in der Berliner Gesellschaft dieser Kriegsjahre, kam zu folgendem Charakterbild des Potsdamer Regierungspräsidenten: »Gottfried waren die besten Eigenschaften seiner Familie zuteil geworden. Von hoher Gestalt, hielt er sich etwas gebeugt, seine markanten Züge glichen denen des Großvaters auf den Lenbach-Porträts. Er sprach auf die abgerissene, scharfe, charakteristische Art der Bismarcks und besaß auch ihren Sinn für Ironie. Am meisten aber nahm seine zurückhaltende, echte Warmherzigkeit für ihn ein.« 28
Mit nicht enden wollender Energie und unter hohem persönlichem Einsatz fuhr Gottfried in diesen Kriegsmonaten immer wieder nach Berlin, um ausgebombten Freunden zu helfen und sie am Ende sogar in seinem großen Haus in Potsdam aufzunehmen. Gästen, denen er vertraute und die wiederum andere Bekannte und Freunde anschleppten, gab er die Ermahnung mit auf den Weg, die Vertrauenswürdigkeit ihrer Begleitung abzuwägen. Es sei in diesen Zeiten riskant, mit Menschen umzugehen, deren »Ehrenkodex« man nicht kenne. Auf den Ehrenkodex reduziere sich am Ende aber alles. »Den seht ihr besser nicht wieder«, pflegte er mitunter zu sagen.
Gottfrieds Frau Melanie verfolgte die Aktivitäten ihres Mannes mit großer Sorge. Ergebnislos wirkte sie auf ihn ein und war der Ansicht, dass er sich von Freunden und Freundinnen in das Lager der Anti-Hitler-Verschwörer habe hineindrängen lassen. Junggesellen könnten sich Derartiges leisten, sollte ihm etwas zustoßen, stünde sie mit drei kleinen Kindern allein da. Ihre Befürchtungen waren berechtigt. Seit 1942/1943 war Gottfried in die Attentats- und Umsturzpläne der Gruppe um Stauffenberg eingeweiht. 29 Er stellte den Verschwörern wiederholt seine Diensträume in Potsdam für konspirative Gespräche zur Verfügung. Spätestens jetzt hatten sich alle fünf Bismarck-Enkel vom Vater und Großvater emanzipiert. Sie waren Menschen und Handelnde aus eigenem Recht geworden.
Escapes
Rom und Italien wurden in den 1930er-Jahren und bis Mitte des Zweiten Weltkriegs zur »Ruhezone« der Bismarcks. Speziell Capri bot dabei eine besondere Rückzugsmöglichkeit. Im Laufe der Jahre kamen
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