Die Bismarcks
profitiert. Der Versuch, Hitler als Lamm im Wolfspelz zu verkaufen, sei jedoch gescheitert, hieß es im Evening Standard. Einhellig bedauert wurde, dass Ottos Frau Ann Mari nicht länger mit ihrer Anwesenheit London schmücken werde. Bei einem festlichen Dinner habe ein Gast das ausgedrückt, was alle Briten dächten, hieß es in einem Magazin: Wenn Hitler lediglich Otto zurückberufen und Ann Mari die Leitung der deutschen Propaganda in England übernommen hätte, wäre es binnen 24 Stunden zu einer deutsch-englischen Allianz gekommen.
Das neue Regime in der deutschen Botschaft zeichnete sich bereits im August 1936 ab, als sich die Bismarcks noch in der britischen Hauptstadt aufhielten. Frau von Ribbentrop erschien in Begleitung eines Architekten in London und kündigte nach kurzer Begehung einen radikalen Umbau des eleganten cremefarbenlackierten Gebäudes an der Carlton Terrace an. Anders als die deutsche Botschaft in Paris, das prächtige Palais Beauharnais, in dem der alte Bismarck gewohnt hatte, kehrte dieser Bau nach 1945 nicht in die Hände der Bundesrepublik zurück. Grundsätze ordentlicher Haushaltsführung spielten 1936 keine Rolle mehr: so wurde auch bekannt, dass Ribbentrop Zugriff auf ein eigenes Flugzeug haben werde, um Hitler jederzeit treffen zu können. Beide träumten in dieser Zeit von einem Bündnis und einer Komplizenschaft mit dem Empire, um welterobernde Pläne in die Tat umzusetzen.
Otto von Bismarck kehrte Ende November 1936 in ein Land zurück, das sich seit seiner Rückkehr in den Auswärtigen Dienst sehr verändert hatte. Hitler befand sich nach der Besetzung des Rheinlandes und den Pseudo-Reichstagswahlen mit einer 99-prozentigen Billigung seiner Politik auf einem ersten Höhepunkt seiner Macht. Minister Darré teilte Otto mit, dass der Bismarck’sche Besitz nun unter das Erbhofgesetz falle. Bis dahin war er ein Fideikomiss gewesen, eine agrabetriebliche Einheit, die nach festen Regeln vererbt und nicht geteilt werden konnte. Die Nationalsozialisten erklärten nun im Rahmen ihrer Blut-und-Boden-Ideologie das Agrarland zu einer unveräußerlichen Größe.
Bismarck wurde Dirigent der Politischen Abteilung des Auswärtigen Amtes. Er nahm damit eine Mittelstellung zwischen dem politischen Direktor und den Leitern der Länderreferate ein. Dabei arbeitete er eng mit Ernst von Weizsäcker zusammen, der 1938 Staatssekretär wurde. Otto von Bismarck bekam damit Zugang zu einigen Zirkeln von Regimegegnern. Im Juni 1938 genehmigte ihm der Außenminister einen dreimonatigen Urlaub. Als die Weizsäckers bei einer Auslandsreise eine ihrer Töchter in die Obhut von Schwester Hannah gaben, fragte diese Weizsäcker bei der Rückkehr am Ende einer lebhaft verlaufenden Diskussion: »Warum bleiben Sie im Dienst?«
Die gleiche Frage hat sie sicherlich auch immer wieder an ihren Bruder gerichtet. Aber Otto war wie andere konservativ gesinnte Diplomaten, wie von Weizsäcker, wie von Moltke, der Auffassung, es mache Sinn zu bleiben. Nur so ließen sich die schlimmsten Auswüchse des NS -Regimes verhindern. Dennoch lässt sich vermuten, dass Otto 1938 zunehmend regimekritischer wurde. 1939 ließ er sich erneut beurlauben. Er wollte aus dem Auswärtigen Dienst ausscheiden, kehrte am Ende aber in die Wilhelmstraße zurück.
Am 13./14. Februar 1939 stattete Hitler Friedrichsruh in Verbindung mit dem Stapellauf eines Kriegsschiffes in Hamburg einen Besuch ab. Nach seiner Auffassung überstrahlte nun sein Führerkult den des Reichsgründers. Otto hatte den »Führer« übrigens nicht eingeladen: die Reichskanzlei hatte bei einem Anruf lediglich mitgeteilt, dass Hitler zum Mittagessen vorbeikäme. Neben Otto waren Goedela und Gottfried, den Hannah drei Tage zuvor in ausgesprochen schlechter Laune angetroffen hatte, bei der Kurzvisite Hitlers anwesend.
In die Festgesellschaft – andere Bismarcks waren aus allen Teilen des Landes und auch aus dem Ausland angereist – platzte der NSDAP -Ortsgruppenleiter, ein ehemaliger Bediensteter des Fürsten. »Was Ihr großer Ahnherr nicht fertiggebracht hat«, rief der gelernte Schuster, »wir, wir werden es erfüllen und zu Wege bringen. Denn heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt!« Nach dem Termin in Friedrichsruh nahm der Diktator am 14. Februar 1939 am Stapellauf des Schlachtschiffes Bismarck in Hamburg teil. Eine mit einem Admiral verheiratete Bismarck-Enkelin war zugegen. Eine Woche später wurden die deutschen Juden aufgefordert, ihren
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