Die bitter sueße Fortsetzung
noch. Mehr kann ich Ihnen zurzeit nicht sagen.« Ich muss mich zusammenreißen. Jetzt bloß nicht wieder die Nerven verlieren. Ganz ruhig, Charlotte. Diesmal drehst du nicht durch. Hörst du! Tief durchatmen. Und noch einmal.
Der Pförtner weist mir den Weg zur Notaufnahme und ich fahre direkt mit meinem Wagen vor.
»Ich möchte zu Herrn Seibert. Martin Seibert. Bitte sagen Sie mir, wie ist sein Zustand?«
»Wer sind Sie?«, fragt mich die junge Krankenschwester.
»Mein Name ist Talbach. Ich bin seine Lebensgefährtin.«
»Es tut mir leid, Frau Talbach. Ich darf Sie nicht zu ihm lassen.« Meine Stimme wird zittriger.
»Warum nicht? Ist sein Zustand so kritisch?«
»Das ist nicht der Grund. Wir wurden gebeten, Sie nicht vorzulassen und Ihnen nichts über sein Befinden zu sagen.«
»Gebeten? Von wem?«
»Von Frau Seibert. Seiner Ehefrau. Sie ist auch gerade wieder da.«
»Wieder da? Sie hat gebeten?« Obwohl ich nicht in ganzen Sätzen spreche, versteht die Schwester, was ich meine. Sie lächelt und gesteht, dass es sich bei Corinnas Wunsch, vielmehr um einen Befehl gehandelt hat.
»Ich will doch nur wissen, wie es ihm geht. Besteht Lebensgefahr?«
»Warten Sie, bis Frau Seibert das Krankenhaus wieder verlassen hat. Wenn Sie mir versprechen, hier keine Szene zu machen, dann reden wir später«, flüstert die Schwester mir zu. Ich schaue ihr nach, wie sie den langen Gang hinunter geht und ich bin fassungslos, ratlos und hilflos zugleich. Langsam lasse ich mich auf einen freien Stuhl fallen und schlage die Hände vor mein Gesicht. Die Ungewissheit treibt mir die Tränen in die Augen. Corinna hat es längst gewusst und mich absichtlich im Unklaren gelassen. Das ist ungeheuerlich.
»Alles okay?«, fragt die Schwester mich eine halbe Stunde später und ich schüttle stumm den Kopf.
»Diese Art von Zickenkrieg erlebe ich hier ständig. Eigentlich darf ich Ihnen keine Auskunft geben, aber ich finde, dass die Notaufnahme nicht der passende Ort für private Machtspiele ist. Herr Seibert hat die OP gut überstanden. Er schläft jetzt.«
»Was ist passiert? Hatte er einen Infarkt?«
»Nein, es war ein Autounfall.«
»Ist er schwer verletzt?«
»Wir hatten schon weitaus schlimmere Fälle. Also machen Sie sich keine Sorgen. Wenn er morgen aufwacht, können Sie ihn besuchen. Aber solange er schläft, hat leider der General das alleinige Sagen.«
»Martin ist herzkrank. Er nimmt Betablocker...«
»Nochmal. Er hat die OP gut überstanden und ist bei uns in den besten Händen. Fahren Sie nach Hause und kommen morgen wieder.« Ich hinterlasse meine Telefonnummer und bettel sie an, sich bei mir zu melden, sollte sein Zustand sich verschlechtern.
»Rufen Sie mich morgen früh vor dem Schichtwechsel an. So zwischen halb und viertel vor sieben. Dann kann ich Ihnen mehr sagen. Aber nun, sollten Sie wirklich gehen.«
Ungern, aber dennoch folge ich dem Rat der netten Krankenschwester. Draußen parkt ein Notarztwagen und ich sehe wie sich die Rettungskräfte bei einer Zigarette vor dem geöffneten Fahrzeug unterhalten.
»Guten Abend. Sagen Sie bitte, waren Sie im Einsatz, als mein Mann heute Mittag mit dem Porsche verunglückte?« Die beiden Männer nicken.
»Aquaplaning auf der A7. Der schöne Wagen ist hin. Dass Ihrem Mann nichts Schlimmeres passiert ist, grenzt an ein Wunder.«
Ich bin zu Hause und schaue auf die Uhr. Viertel nach zehn. Noch nicht zu spät, um bei Sunny anzurufen. Ich warne sie vor, keinen Schreck zu bekommen und berichte vom Autounfall ihres Vaters.
»Nein, die Zicke hat mich nicht informiert. Die tickt doch nicht mehr sauber«, schimpft sie und ist ebenso erbost über Corinnas Verhalten wie ich. »Wenn es dir Recht ist, lasse ich mich von meiner Mutter zu dir fahren und ich bleibe über Nacht. Dann können wir beide morgen früh gleich zusammen ins Krankenhaus fahren.«
»Super Idee, Sunny. Allein fällt mir bestimmt noch die Decke auf den Kopf.«
»Mama nickt. Also bis gleich.«
»Guten Abend, Frau Talbach«, sagt die mir von früher her bekannte und einst so verhasste erste Frau Seibert. Sie ist noch immer blond, aber scheinbar doch nicht so strohblöd, wie ich immer vermutet hatte.
»Vor fast zwanzig Jahren waren wir schon beim Du. Magst du nicht noch mit reinkommen? Auf ein Glas oder eine Tasse Kaffee?« Doreen Kupfer, geborene Landmann, geschiedene Seibert,
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