Die bitter sueße Fortsetzung
lächelt und tritt ein.
»Wiedererkannt hätte ich dich nicht.«
»Ist ja auch schon eine halbe Ewigkeit her.«
»Sunny spricht in höchsten Tönen von dir.«
»Gleichfalls. Da ist dir und Martin etwas richtig Gutes gelungen. Obwohl mir klar ist, dass du den Hauptanteil daran hast. Sie ist wirklich liebenswert und taff.«
»Diesmal ist die Eiskönigin eindeutig zu weit gegangen.«
»Die Eiskönigin?«
»Ja«, lacht Sunny. »Den Namen hat Mama ihr verpasst.« Absolut zutreffend, finde ich auch.
»Mit ihrer Anordnung hat sie mich vor dem Krankenhauspersonal wie ein billiges Flittchen aussehen lassen. Aber was soll’s. Richtig übel nehme ich ihr, dass sie mich stundenlang im Unklaren gelassen hat. Und dass sie dich nicht informiert hat, ist der Gipfel der Unverschämtheit.« Sunny krault Kurt und Doreen und ich leeren eine Flasche Wein. Ja, man kann mit einer Seibert Exfrau einen kultivierten Umgang pflegen. Dass ich allerdings irgendwann einmal mit Corinna bei einem Glas Wein zusammen sitzen werde, ist nach ihrer heutigen Aktion völlig ausgeschlossen.
Ich weiß nicht, welche Verletzungen Martin davongetragen hat, ob er auf der Intensivstation liegt, ob er ansprechbar ist, ob er Schmerzen hat. Ich weiß rein gar nichts und es macht mich verrückt. An Schlafen war nicht zu denken und ich stehe schon um sechs Uhr fertig angezogen in der Küche. Ich trinke schon meinen dritten Kaffee und warte darauf, dass es endlich halb sieben wird.
»Ja, er hat die Nacht gut überstanden. Er war sogar schon wach und ich konnte ihm sagen, dass Sie ihn heute besuchen werden.«
»Was fehlt ihm denn? Bitte sagen Sie es mir doch endlich.«
»Herr Seibert wurde nach seinem Unfall mit einem Polytrauma eingeliefert und wurde sofort im Schockraum versorgt. Die Untersuchungen zeigten innere Blutungen, verursacht durch einen Milzriss. Er wurde notoperiert. Desweiteren erlitt er einen Oberschenkelhalsbruch und eine Rippenserienfraktur. Darum kümmern wir uns in den kommenden Tagen. Sprechen Sie am besten mit dem behandelnden Arzt.« Ich stöhne laut auf, aber die Schwester beruhigt mich gleich wieder.
»Das sind gute Nachrichten, Frau Talbach. Keine Schädel und Wirbelverletzungen. Er hatte einen Schutzengel.« Sie bittet mich noch, nicht vor neun Uhr zu kommen und einige Sachen für den Patienten mitzubringen. Wäsche, Schlafanzug, etc.
Ich habe Sunny mit meinem Telefonat geweckt und sie steht mit fragenden Augen vor mir.
»Er ist ansprechbar. Wir sollen Sachen mitbringen.« Aber hier ist nichts. Er hatte doch alles mitgenommen und ins Hotel gebracht. Kaufen kann ich heute auch nichts. Es ist Ostermontag und alle Geschäfte sind geschlossen. Anja! Anja kann ich bitten, mir Wäsche von Gerald zu geben. Ich schreibe ihr eine SMS.
Notfall! Martin hatte einen Unfall und liegt im Krankenhaus. Bitte rufe sofort an, wenn du das liest.
Meine Güte, warum meldet sie sich nicht zurück. Natürlich, weil die Alte Mühle am Montag Ruhetag hat und sie vermutlich noch schläft. Darauf kann ich keine Rücksicht nehmen. Endlich geht sie ans Telefon.
»Na, ist Martins Osterüberraschung gelungen?«
»Osterüberraschung? Ich glaube du spinnst. Er liegt schwerverletzt im Krankenhaus und wurde notoperiert!«
»Wann?«
»Gestern schon. Ich brauche Wäsche für ihn. Einen Schlafanzug und den ganzen Kram. Aber hier ist nichts. Seine ganze Kleidung befindet sich in seinem Wagen. Und der ist Schrott.«
»Beruhige dich. Ich bin gleich da.« Sunny wirft mir einen ungläubigen Blick zu. Sicherlich fragt sie sich, warum sich keine Kleidung im Zuhause ihres Vaters befindet. Aber sie spricht ihre Frage nicht aus, sondern geht ins Bad und macht sich fertig. Anja kommt schnell. Sie hat eine kleine Reisetasche gepackt und meint, dass alles nötige enthalten ist. Ich erzähle ihr von meiner verzweifelten Suche, meinem Anruf bei Corinna, ihrer Anordnung und der nicht endenden Nacht voller Angst.
Voller Erwartung öffne ich die Tür ins Krankenzimmer. Es ist ein Zweibettzimmer und Martin liegt am Fenster. Angeschlossen an Monitore und an einen Tropf. Als er uns erblickt lächelt er zufrieden.
»Hey, Lotte und sogar mein Sonnenschein«, freut er sich. Seine Stimme ist dünn und er atmet unruhig.
»Hast du Schmerzen?«
»Nein, ich wurde mit reichlich Schmerzmitteln vollgepumpt. Aber ich kann schwer atmen. Das liegt an den Rippenbrüchen.«
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