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Die blaue Liste

Die blaue Liste

Titel: Die blaue Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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geradeaus. Dengler sah hin und
     wieder zu seinem Freund auf dem Beifahrersitz und sah die kleinen Schweißperlen, die sich auf dessen Nase und Stirn entwickelten.
     Er reichte Mario ein Taschentuch, das der Freund schweigend entgegennahm. Mit einer hastigen Bewegung wischte er sich den
     Schweiß aus dem Gesicht. Olga saß auf dem Rücksitz und schwieg.
    Während alle ihren Gedanken nachhingen, brachte der Saab sie zügig über das Mailänder Autobahnkreuz in Richtung Norden. Sie
     verließen die Autobahn in Richtung Comer See und sahen sein Wasser zum ersten Mal bei Lecco. Mario schwieg noch immer, und
     Dengler reichte ihm ein neues Taschentuch.
    Dengler schob eine Live-CD mit Muddy Waters und Jonny Winter in den CD-Player. Die harten Gitarren der beiden Bluesveteranen
     lenkten sie ab. Marios rechter Fuß schlug bald den Takt auf dem Bodenblech, und Dengler trommelte mit dem Daumen aufs Lenkrad.
     Sie hatten alle Fenster heruntergelassen, und als ihnen am Straßenrand zwei Mädchen in luftigen Kleidern zuwinkten, entspannte
     sich Mario endlich.
    »She's Nineteen Years Old«, sang Waters und ließ die Gitarre krachen.Sie erreichten den Nordzipfel des Sees und fuhren auf der anderen Seite zurück.
    »Bald sind wir da«, sagte Mario, und Dengler reichte ihm ein neues Taschentuch.
    Gravedona schmiegt sich um eine kleine Bucht. Von weitem winkte ihnen die Taufkirche Santa Maria del Tiglio mit ihrem Turm
     zu.
    »Hier müssen wir abbiegen«, sagte Mario.
    Sie ließen die kleinen Plätze und die Gassen des Ortes hinter sich und fuhren nach Norden auf die Hügelkette zu, die sich
     schützend um den Ort legt.
    »Jetzt rechts«, sagte Mario, und sie fuhren in den Hof eines Hotels, das offensichtlich geschlossen hatte. Georg hielt an,
     und sie stiegen aus.
    Der Parkplatz war leer. Nur ein einziger Wagen, ein blauer Passat, stand etwas abseits. Sein Kofferraum war geöffnet, und
     ein alter Mann mit einem eisgrauen Dreitagebart lud Kartons mit Lebensmitteln aus und trug sie zu dem Küchengebäude neben
     dem Haus.
    Der Eingang des Hotels befand sich in einem Vorbau, auf den Mario nun zusteuerte. In der rechten Hand trug er ein altes Foto.
     Er zeigte es Georg, bevor er die Tür öffnete. Sie war nicht verschlossen.
    »Das ist das Bild meines Papas, das ich in den Unterlagen meiner Mutter fand«, sagte er.
    Dengler sah das Portrait eines jungen Mannes mit lockigen Haaren, lachend über das ganze Gesicht, vollen Lippen, dunklen Augen, vielleicht achtundzwanzig Jahre alt, vielleicht auch schon dreißig. Die Ähnlichkeit
     mit Mario war nicht zu übersehen.
    Dengler nickte, und sie betraten den Vorbau des Hotels. Mario ging vornweg, gefolgt von Dengler, dann kam Olga. Sie standen
     in einem Gang. Das Licht war trüb, da schwere ockerfarbene Vorhänge die Fenster verschlossen und Licht und Sonne aussperrten.
     Ein schwerer Sisalteppich führte sievoran. Mario tappte zwei Schritte vor und blieb verlegen stehen. Er drehte sich zu einem Bild an der Wand, einer Fotografie,
     und blieb davor stehen. Die Aufnahme zeigte die Fußballmannschaft des Ortes. Die Spieler in zwei Reihen hintereinander, die
     erste Reihe in der Hocke. Der Tormann hielt den Ball in den Händen. Auf der linken Seite stand der Trainer in einem dunkelblauen
     Sportanzug. Es war ein alter Mann mit eisgrauem Bart – zweifellos derselbe Mann, der draußen die Lebensmittel aus dem Passat
     in die Küche trug. Das nächste Foto zeigte die gleiche Mannschaft im Jahre 2001. Der Trainer trug einen ähnlichen Anzug, aber
     keinen Bart. Auf dem Bild von 2000 trug er den silbernen Pokal.
    Sie gingen den Gang weiter und betrachteten die Bilder der Fußballmannschaften des Ortes, immer mit dem gleichen Trainer.
    Am Ende des Ganges bogen sie links in einen weiteren Flur ein, der in Sichtweite auf die Tische der Rezeption endete. Auch
     in diesem Teil waren die Wände mit den Aufnahmen von Fußballmannschaften bedeckt.
    Dengler sah sich Bild für Bild an. Olga stand neben ihm. Die Spieler blieben Jahr für Jahr gleich alt, immer um die zwanzig
     – nur der Trainer wurde nun von Bild zu Bild jünger. Dengler sah zu Mario hinüber, der noch keinen Verdacht geschöpft zu haben
     schien. Er ging noch immer ruhig von Foto zu Foto, und selbst als die Farbbilder in Schwarz-Weiß-Aufnahmen wechselten, bemerkte
     er noch nichts. Der Trainer war nun ein junger Mann.
    Doch nun ging Mario schneller von Mannschaft zu Mannschaft, und dann lief er zu dem letzten Bild und verglich es mit

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